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Die Väterrolle stärken

Mit Unterstützung der Westfälischen Männerarbeit erarbeitet das Kinderzentrum Nadeshda in Weißrussland attraktive Programme, um die Beziehung von Vätern und Kindern mit Behinderung zu fördern

„Wir wollen Familien ansprechen, erreichen aber in der Regel nur die Mütter“, so Irina Nesterowitsch, die als ärztliche Leiterin des Kinderzentrums Nadeshda in Weißrussland bereits zahlreiche Aufenthalte von Familien mit behinderten Kindern im Erholungskinderzentrum erlebt und begleitet hat. Aus dieser Beobachtung heraus und der Erkenntnis, dass Väter eine wichtige Bedeutung für die Kinder haben, entwickelte sich der Wunsch, Väter anzusprechen. In Zusammenarbeit mit der Minsker Elterninitiative „Offenbarung“ wandte sich das Kinderzentrum an die westfälische Männerarbeit, um von deren langjährigen Praxiserfahrungen im Bereich der Vater-Kind-Arbeit zu profitieren.
Im Rahmen der Konzeptionsentwicklung entstand ein Projekt, das mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Förderprogramm Belarus) gefördert wird. Die Idee: Weißrussische und deutsche Experten erarbeiten mit Vätern und Akteuren aus der Minsker Elterninitiative sowie dem Kinderzentrum Nadeshda attraktive Programme für Väter mit behinderten Kindern.
„Ich bin zum ersten Mal mit meinem Kind allein unterwegs“, so ein Vater. Im Juni fand im Kinderzentrum Nadeshda das erste von zwei Wochenenden statt, an dem zehn Väter und zwölf Kinder teilgenommen haben. Geplant wurde das Pilotwochenende mit den Vätern, den belarussischen Projektpartnern und den deutschen Experten, Ralf Höffken und Jürgen Haas. Dabei standen die besonderen Bedürfnisse der Väter und der Kinder im Fokus.
Im Gespräch mit den Vätern wurde deutlich, dass es nur wenig Gelegenheit der Beratung und des Austausches mit anderen betroffenen Vätern gibt. Zudem sei die Behinderung im Alltag und in der Gesellschaft ein Tabuthema, berichteten die Väter in vertraulichen Gesprächsrunden. Sie haben den Eindruck, dass es für sie berufliche Nachteile hat, sich als Vater eines behinderten Kindes zu outen. Ein großer Bedarf besteht bei den Vätern an Informationen mit Blick auf den medizinischen und pflegerischen Betreuungsbedarf der Kinder.
Die teilnehmenden Kinder hatten sehr unterschiedliche Handicaps. Dies erforderte neben den Gemeinschaftsangeboten stärker individuell auf die Teilnehmenden und deren spezifischen Fähigkeiten einzugehen. Eines der Kinder hat in diesem Zusammenhang bei Jürgen Haas und Ralf Höffken nachhaltige Eindrücke hinterlassen. Ein Mädchen war aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage, ihre Bewegungen zu koordinieren, saß im Rollstuhl und konnte sich sprachlich nicht mitteilen. Geistig war sie aber sehr fit, schrieb Gedichte und kommunizierte mit den deutschen Gästen mit Hilfe eines Textfeldes, bei dem sie mit großer Anstrengung und Unterstützung des Vaters die Buchstaben antippte und Wörter formte. Dieser liebevolle und fördernde Umgang der Väter mit ihren Kindern zeigte sich häufig.
Die Väter wünschten sich, dass so ein Wochenende ein regelmäßiges Angebot sein sollte. Ein weiteres Seminar für diese Zielgruppe findet demnächst statt. Derzeit suchen die Initiatoren nach finanziellen Möglichkeiten, das Pilotprojekt im nächsten Jahr fortzusetzen.IKG

Kontakt: Jürgen Haas und Ralf Höffken, Telefon (0 23 04) 75 53 74.

Das Rehabilitations- und Erholungszentrum Nadeshda (deutsch: Hoffnung) in Weißrussland liegt im Nordwesten des Landes, rund eineinhalb Stunden von der Hauptstadt Minsk entfernt. Jährlich erholen sich dort über 1000 Kinder und Jugendliche, die in den besonders stark kontaminierten Gebieten in der Umgebung des Atomkraftwerks Tschernobyl leben und aufwachsen müssen.