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Die Trauer in Stein meißeln

Ein alter Zirkuswagen und ein ausgedienter Frachtcontainer stehen zwischen dem Roggenfeld und dem Friedhof hinter der Kapelle der Versöhnung auf dem ehemaligen Todesstreifen in Berlin-Wedding. Hier schafft der Steinmetz Michael Spengler gemeinsam mit den Angehörigen Grabsteine. „Denkwerke“ nennt er sie. Ein Jahr lang begleitete die Berliner Dokumentarfilmerin Katinka Zeuner das Entstehen dreier besonderer Grabsteine. Jetzt läuft „Der Stein zum Leben“ in den Kinos. Friederike Höhn und Vivien Löpelmann sprachen mit Katinka Zeuner über ihren Film.

Ein alter Zirkuswagen und ein ausgedienter Frachtcontainer stehen zwischen dem Roggenfeld und dem Friedhof hinter der Kapelle der Versöhnung auf dem ehemaligen Todesstreifen in Berlin-Wedding. Hier schafft der Steinmetz Michael Spengler gemeinsam mit den Angehörigen Grabsteine. „Denkwerke“ nennt er sie. Ein Jahr lang begleitete die Berliner Dokumentarfilmerin Katinka Zeuner das Entstehen dreier besonderer Grabsteine. Jetzt läuft „Der Stein zum Leben“ in den Kinos.

Frau Zeuner, wie sind Sie auf Michael Spengler und seine Arbeit aufmerksam geworden?Als meine Mutter gestorben ist, habe ich mit ihm zusammen einen Stein für sie gestaltet. Das war für mich ein sehr wichtiger Prozess in der Trauerarbeit: von der Ohnmacht ins Gestalten zu gehen. Es war aber auch ambivalent. Auf der einen Seite kam ich mir kompetent und nicht so hilflos vor. Auf der anderen Seite war ich dabei, den Tod meiner Mutter in Stein zu meißeln. Michael Spengler hat mich als Mensch sehr beeindruckt, ebenso der Ort und der ganze Raum, den er schafft. Und dann habe ich ihn gefragt, ob ich einen Film über seine Arbeit machen kann.

Und wie war dann seine Reaktion?Er sagte: „Ich traue Bildern nicht, ich sammle Radios. Aber schreib doch mal auf, was du da vorhast und dann gucken wir mal.“ Das habe ich gemacht und dann hat er sich eigentlich ziemlich schnell darauf eingelassen.Der Film beobachtet, es gibt keine Interviews und keine Erzählstimme. Warum diese Form?Ich habe auch Interviews gemacht, aber es war schnell klar, dass eine reflektive Ebene überhaupt nicht die Stärke und Intensität hat, als wenn man es miterlebt. Auch die Idee, Michael Spengler über seine Arbeit und über seine Gedanken zu Leben und Tod sprechen zu lassen, habe ich schnell verworfen. Eine Erzählstimme hätte die Leute rausgerissen und das wollte ich nicht. Es ging mir um den Raum, den Michael Spengler schafft, um das, was da auf wenigen Quadratmeter passiert. Dieser Ort hat einen ganz anderen Rhythmus, ganz andere Regeln als die Außenwelt. Das wollte ich zeigen.

Der Film kommt auch komplett ohne Musik aus. Ich hätte nicht gewusst, was Musik hätte beitragen sollen. Sie hätte die Funktion haben können, die Leute nochmal emotional zu lenken. Aber das wollte ich den Zuschauern selbst überlassen.

Was bedeutet das Thema Tod und Trauer für Sie?Gerade in Zeiten, in denen Religion für viele Menschen nicht mehr so viel Halt gibt und sich damit auch viele Traditionen nicht mehr stimmig anfühlen, fragt man sich: Was hilft mir? Ich glaube, dass man sich nicht von der Ohnmacht überwältigen lassen darf. Durch den Stein für meine Mutter ist ihr Grab für mich ein ganz anderer Ort, der unsere Verbindung stärkt. Für mich war das Selbstgestalten sehr hilfreich, aber es ist sicherlich nicht für jeden das Richtige.

Welche Botschaft möchten Sie mit dem Film senden?Ich habe da keine Mission, aber ich will Mut machen, sich mit dem Thema Tod und Verlust auseinanderzusetzen, auch bevor es passiert. In den Reaktionen auf den Film merke ich, dass das keiner gerne tut. Aber der Film ist ja fast heiter. Man lacht auch. Michael Spengler sagt das immer ganz schön: „Ich glaube, es tut ganz gut, sich vor Augen zu führen, dass das Leben endlich ist. Denn das gibt dem Moment erst seinen eigenen Wert.“

„Der?Stein zum Leben“ läuft ab diesem Donnerstag in den Berliner Kinos ACUD (Veteranenstr. 23, Mitte), fsk-Kino (Segitzdamm 2, Kreuzberg) und in den Eva-Lichtspielen (Blissestraße 18, Wilmersdorf). Am 24. Mai, 18 Uhr findet dort, am 26. Mai, 20 Uhr im fsk-Kino eine Vorführung mit Katinka Zeuner statt. Am 6. Juni, 18 Uhr zeigt das Bali Kino (Teltower Damm 33, Zehlendorf) den Film in Kooperation mit dem Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf und dem Diakonie Hospiz Wannsee.

Wenn Gemeinden Interesse an einer Veranstaltung haben, können sie mit Katinka Zeuner in Kontakt treten: Telefon (0176)21941870, E-Mail: mail@katinka-zeuner.de, www.katinka-zeuner.de

Die Fragen stellten Friederike Höhn und Vivien Löpelmann.