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“Die persönliche Begegnung bleibt entscheidend”

Um neue Freundschaften zu schließen, nutzen nicht nur junge Leute digitale Wege wie Apps. Nach Ansicht des Berliner Psychologen Wolfgang Krüger können sie eine Hilfe sein, um Menschen kennenzulernen. Das reale Treffen bleibe aber wichtiger, wenn aus Bekannten auch Freunde werden sollen.

epd: Herr Krüger, warum ist es eher schwierig, mit über 50 oder über 60 noch Freunde zu finden?

Wolfgang Krüger: Freunde zu finden ist am leichtesten, wenn wir noch in die Uni gehen oder eine Ausbildung absolvieren und dann jeden Tag viele Menschen treffen. Wenn wir älter werden, sind solche Begegnungen seltener und schwieriger: Wir müssen lernen, auf andere Menschen aktiv zuzugehen – das fällt gerade Menschen in dieser Altersgruppe nicht immer leicht. Zudem resignieren viele, weil Studien zufolge nach durchschnittlich sieben Jahren rund 50 Prozent solcher „Alltagsfreundschaften“ scheitern oder wieder auseinandergehen.

epd: Was halten Sie von Apps, über die man Kontakte für die Freizeit oder für Freundschaften finden kann? Sind die auch für die Generation „50plus“ interessant?

Krüger: Ja, denn auch in dieser Generation hat heute fast jeder ein Smartphone. Solche Apps können eine gute technische Hilfe sein, um neue Menschen kennenzulernen und Freunde zu finden. Sie ersetzen natürlich das persönliche Kennenlernen nicht, das dann folgen muss. Wenn dann bei realen Treffen zahlreiche Menschen zusammenkommen, ist das hilfreich – denn ich muss viele Menschen treffen, bevor jemand dabei ist, den ich sympathisch finde, der mich interessiert, damit dann daraus wirklich Freundschaft entsteht.

epd: Kann das Suchen nach Freundschaften in der digitalen Welt nicht dazu führen, dass man reale Kontakte vernachlässigt?

Krüger: Nein. Gerade der älteren Generation ist klar, dass die Apps nur eine Hilfe sind. Man muss sich sehen, man muss sich in die Augen schauen und den anderen fast leibhaftig spüren, damit eine soziale Schwingung entsteht. Entscheidend ist, dass man auch als älterer Mensch neugierig geblieben ist, dass man Interesse am Leben anderer hat. Dann ergeben sich auch lebendige und langfristige Freundschaften.