Auf der Jahrestagung der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern geht es am Mittwoch in Schwerin darum, wie Desinformationen im Internet die Demokratie bedrohen. Der Direktor der Medienanstalt MV, Bert Lingnau, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorab, welche Gefahren er sieht.
epd: Zerstören Lügen im Netz unsere Demokratie?
Bert Lingnau: Sie beschädigen das Vertrauen in staatliche Institutionen, Politik, Wirtschaft, Kultur, Bildung und in die Leistungsfähigkeit unseres Landes, indem sie zum Beispiel ständig behaupten, was angeblich alles nicht funktioniert. Im Privaten können Online-Lügen starke Verletzungen verursachen, etwa wenn ein Ex-Partner unwahre Gerüchte streut.
Desinformationen sind absichtlich verbreitete falsche Informationen, die oft täuschend echt aussehen. Das können völlig frei erfundene Inhalte sein, oder Inhalte werden absichtlich falsch in andere Zusammenhänge eingeordnet. Oft werden auch bewusst Informationen weggelassen. Besonders gefährlich sind technisch perfekt aufbereitete Desinformationen, zum Beispiel in einem Fake-Video. Gefährlich ist auch die massenhafte Wiederholung der Falschbehauptungen.
epd: Wie sollte gegengesteuert werden?
Lingnau: Durch massive Investitionen in Medienbildung für alle. Jeder sollte wissen, was Desinformation ist und wie sie funktioniert. Und jeder sollte seinen eigenen Medienkonsum kritisch hinterfragen und reflektieren. Bevor man eine Nachricht impulsiv weiterverbreitet, sollte man innehalten und deren Quelle überprüfen. So verhindert man, selbst zur Verbreitung von Falschinformationen beizutragen. Denn Fake News, die von Freunden oder Verwandten verbreitet werden, haben eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Empfängern, weil sie von vertrauenswürdigen Personen stammen.
Außerdem sollten die Leute, wenn sie Tatsachen erfahren möchten, seriöse klassische Medien nutzen: Denn seriöse Zeitungen, Zeitschriften, TV und Radio bereiten Inhalte wahrheitsgemäß auf. Sie haben kein Interesse an Desinformation, das ist nicht ihr Geschäftsmodell. Dort arbeiten Journalisten, die ihr Handwerk verstehen und wahrheitsgetreu berichten.
Und: Die großen Internet-Giganten mit ihren Online-Plattformen – aber auch TikTok, X oder Telegram – müssen gesetzlich stärker in die Pflicht genommen werden, gegen Hass, Hetze und Desinformationen auf ihren eigenen Social-Media-Plattformen vorzugehen.
epd: Welche Lichtblicke sehen Sie in dem Zusammenhang derzeit?
Lingnau: Bei vielen Menschen wächst das Bewusstsein, wie gefährlich Desinformationen sind. Wenn man bei keiner Information mehr weiß, ob sie wahr oder falsch ist, verunsichert das zutiefst. In Deutschland beginnt darüber gerade eine Diskussion.
Zudem hat die Europäische Union mit ihrem „Gesetz über digitale Dienste“ und ihrer „Verordnung über künstliche Intelligenz“ Grundlagen für mehr Sicherheit und Verantwortung im Online-Bereich geschaffen. Ich bin hoffnungsvoll, dass sich letztlich Vernunft und kluge Regulierung durchsetzen, weil sie Transparenz und Wahrheit stärken. Denn die Wahrheit ist stärker als die Lüge, weil die meisten Menschen nicht dauerhaft belogen werden wollen.