Predigttext am 1. Sonntag nach Trinitatis: Johannes 5,39–47Ihr sucht in den Schriften, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie sind’s, die von mir zeugen; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet. Ich nehme nicht Ehre von Menschen an; aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen. Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht? Meint nicht, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde; der euch verklagt, ist Mose, auf den ihr hofft. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?
Von Sibylle Sterzik
Ist Bibel lesen falsch? Das kann so nicht gemeint sein. Worauf will der Text hinaus? Vielleicht so: Jesus ist nicht zwischen den Buchdeckeln der Heiligen Schriften zu finden. Der Ewige-Leben-Bonus auch nicht. Und wenn man noch so viele Seiten durchgeackert hat. Glaube findet mitten im Leben statt, das beglückt, in den Abgrund stürzt und wieder hochholt. Ihr habt mich nicht angenommen, sagt Jesus, ihr sucht mich in den Schriften. Aber mit Buchstabenglauben seid ihr auf dem Holzweg. Die Bibel lesen, sich heiß diskutieren, das ist es doch, was Christinnen und Christen wie Erfrischungsgetränke in der Sommerhitze brauchen. In der Bibelstunde oder morgens beim Losung lesen. Oder in diesen Tagen auf dem Kirchentag. Morgens sind die Bibelarbeiten überfüllt. Legendär die Theologinnen und Bibelarbeiter anderer Professionen. Das macht Freude zuzuhören. Da knistert es, Lacher füllen Hallen, Aha-Erlebnisse kreisen und tosenden Applaus gibt’s für klare Kante. Soll das verkehrt sein? Es geht um mehr. Wer die Nase nur ins Buch steckt, sieht das Drumherum nicht mehr: Kommt zu mir, damit ihr das Leben habt – da liegt der springende Punkt. Jesus suchen per Bibellese und Tradition studieren – damit hat sich’s nicht. Ist wichtig, bringt auf die Spur, kann man nicht genug von haben. Dank der wunderbaren Lektorinnen und Lektoren, die sonntags Bibel vorlesen und der Predigten von Pfarrerinnen, Prädikanten und Gemeindepädagoginnen hält das Band des Evangeliums die Welt zusammen. Mit Vater und Sohn geistreich in der Hauptrolle. Aber Jesu annehmen ist mehr.
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