In der Kirche riecht es nach Kaffee. Kann das sein? „Kinners, der Kaffee ist fertig“, ruft Pfarrer Reinhard Bogdan. Also doch. „Steht in der Küche. Bedient euch“, legt er nach. Bogdan hat schon eine Tasse in der Hand. Damit wuselt er durch die Friedenskirche in Stukenbrock. Auch einige Konfirmandinnen und Konfirmanden sowie deren Eltern sind aktiv. Sie schleppen Gerüstteile in die Kirche, die von Handwerkern aufgebaut werden.
Fenster wurde auf der Konfi-Freizeit entworfen
Es ist ein sonniger Freitagnachmittag. Das macht sich auch in der hellen, freundlichen Kirche bemerkbar. Gleich soll das Konfirmandenfenster eingebaut werden. Das alte Fenster ist schon draußen. Leonie, Zoe, Celia, Emily und Fabian sind ganz gespannt. „Wir haben das Fenster während unserer Konfi-Freizeit auf Borkum entworfen“, erzählt Fabian. Das Thema war vorgegeben: die Taufe Jesu im Jordan.
„Kinners, macht mal Platz hier“, ruft Reinhard Bogdan. Sofort weichen alle zurück und stellen sich in die Stuhlreihen. Die Handwerker tragen das riesige Thermopenfenster in die Kirche und bauen es ein. Es kommt zuerst in den Rahmen. Davor wird dann das bunte Bleiglasfenster angebracht. Einige Väter und der Pfarrer unterstützen die Handwerker. Bogdan stabilisiert mit einer Hand das Fenster, während es befestigt wird. In der anderen Hand seinen Kaffee.
Dabei berichtet er über das Projekt. „Seit rund 25 Jahren gestalten hier die Konfirmandinnen und Konfirmanden die Kirche mit.“ Jeder Jahrgang hat die Wahl – entweder kann die Gruppe einen Film drehen. Oder etwas für die Kirche gestalten. „Schauen Sie sich nur um“, fordert Bogdan auf. „Fenster, Kanzel, Taufstein – fast alles von Konfis. Über tausend Jugendliche haben hier schon ihre Ideen eingebracht.“
Die Konfirmanden entscheiden sich gegen den Film. „Für uns war klar, dass wir das Fenster gestalten wollen“, sagt Zoe. „Das ist toll, dass uns der Pfarrer und die Gemeinde so etwas zutrauen“, freut sich Leonie. Zoe ergänzt: „Man fühlt sich dadurch in die Gemeinde eingebunden, aufgenommen und willkommen.“
Auf der Konfirmandenfreizeit haben sich die Jungen und Mädchen intensiv mit der Geschichte befasst. „Wir haben alle Versionen in den verschiedenen Evangelien gelesen und dann überlegt, wie das Fenster aussehen soll. Was drauf muss und welche Farben wir haben wollen“, berichtet Leonie. Reinhard Bogdan lässt den Jugendlichen viel Freiheiten. „Wir wollten unbedingt Fische drauf haben. Das fand er zwar anfangs nicht so gut“, meint Zoe. „Aber dann hat er sich drauf eingelassen. Jetzt haben wir einen Fisch auf dem Fenster.“ Den Regenbogen konnten die Konfis dann aber doch nicht durchsetzen.
Inniges Verhältnis der Jugendlichen zur Kirche
„Den Fisch muss man suchen“, sagt Reinhard Bogdan. „Zur Zeit von Jesu Taufe hatte er ja noch nicht die Bedeutung, die er später bekommen hat.“ Fabian ist fasziniert von dem Gedanken, dass die ersten Christen den Fisch als Geheimzeichen nutzten. „Die mussten um ihr Leben fürchten, wenn jemand mitbekam, dass sie an Jesus glauben.“
Der fertige Entwurf, der auf Borkum entstand, wurde auf eine Plexiglasscheibe übertragen. „Das war cool, so etwas Großes zu entwerfen“, sagt Celia. Eine Künstlerin habe das Werk überarbeitet. „Wir durften mit in die Glasmalerei und konnten Farben aussuchen“, erzählt Celia.
„Vorsicht, Kinners! Die Scheibe kommt“, ruft Bogdan. Alle schauen in seine Richtung. Zu viert tragen die Handwerker das Konfirmandenfenster in die Kirche. Die Jugendlichen verfolgen das Geschehen. „Wie toll“, sagt Leonie. „Wenn ich in 20 Jahren in die Kirche komme und sehe das Fenster, werde ich denken: Das ist mein Werk.“ Die anderen nicken.
Sonja Lilge erlebt das nun zum zweiten Mal mit. „Mein Sohn wurde vor drei Jahren konfirmiert. Sein Jahrgang hat das Osterfenster gestaltet“, erzählt sie. „Zoe war es wichtig, auch etwas in der Kirche zu gestalten. Ich finde es gut, dass die Kinder das machen dürfen. So entwickeln sie ein viel innigeres Verhältnis zur Kirche und zur Gemeinde.“ Sonja Lilge singt ein Loblied auf den Pfarrer. „Meine Kinder sind gerne in den Konfirmandenunterricht gegangen.“
Zoe hat den letzten Satz mitbekommen und bestätigt das. „Diese Treffen werden mir fehlen. Unser Pfarrer weiß einfach, wie wir ticken. Der ist echt cool.“ Emily war anfangs skeptisch. Sie wohnt noch nicht so lange in Stukenbrock. „Ich war hier zum ersten Mal zur Konfi-Vorstellung in der Kirche.“ Glaube und Religion kennt sie aus der Schule als Pflichtveranstaltung. „Aber hier ist das anders. Ich habe schnell Anschluss gefunden. Es war eine tolle Zeit.“ Die Konfis sind sich einig, dass sie auch nach ihrer Konfirmation weiter in die Kirche gehen wollen. „Ich möchte Abendmahlshelfer machen“, sagt Fabian. Einige andere auch. „Mir bedeutet die Konfirmation viel. Ich sage ja zum Glauben und zur Gemeinde. Außerdem kann ich Patin werden und irgendwann will ich auch kirchlich heiraten.“
Die Jugendlichen haben sich festgequatscht. Reinhard Bogdan fordert sie in seiner schnoddrigen Art auf: „Kinners, nicht ‘rumstehen. Holt mal die kleine Scheibe.“ Die Konfis schmunzeln. „,Kinners‘ ist eines seiner Lieblingswörter“, sagt Emily. Ein paar Jugendliche gehen nach draußen und holen das kleine Fenster, das über dem großen angebracht wird. Darauf stehen die Worte aus dem Markusevangelium 1,11b nach der Übersetzung „Gute Nachricht“: „Du bist mein Sohn, dir gilt meine Liebe, dich habe ich erwählt.“
Kosten des Fensters über Spenden finanziert
Schließlich ist das Werk vollbracht. Die Konfis sind zufrieden. „Die Werkstatt hat unseren Entwurf gut umgesetzt“, sind sie sich einig. Einer will wissen, wieviel das nun genau kostet. „7447,04 Euro“, sagt der Pfarrer. Das Fenster wird nur aus Spenden finanziert und ist fast bezahlt. Bogdan ist zuversichtlich, dass das Geld schnell zusammenkommt.
Übrigens: Die Friedenskirche ist eine der wenigen Kirchen in Westfalen, die in den letzten Jahren erweitert wurde: Errichtet wurde sie 1961, danach wurde mehrmals angebaut. Vor vier Jahren hat sie die Gemeinde um das Dreifache vergrößert. „Der Gottesdienstbesuch stieg seitdem um 25 Prozent“, sagt Bogdan. – Womöglich hat das damit zu tun, dass bei der Gestaltung der Kirche die Konfirmanden seit vielen Jahren mitmischen dürfen.