Zu den „Sommerlesungen“ geht es im Markusjahr weit zurück, fast an den Anfang des Evangeliums. Zur Erinnerung: Die Passionsgeschichte war bereits zeitgerecht in der Osterzeit dran, und jetzt geht es beim Stichwort „Sabbat“ einfach mitten rein in den laufenden Text. Anders als bei den übrigen Evangelien gibt es keine Vor- oder Nachgeschichten und keine gezielte Gliederung nach Worten und Taten Jesus oder anderen stilistischen Prinzipien. Nach dem provozierenden Ährenraufen am Sabbat geht Jesus nun noch einen Schritt weiter und praktiziert das, was jüngst im Buch Exodus zu lesen war. Die Würde des Menschen, eines einzigen, steht für ihn höher als alle Regularien einer gesetzlichen Frömmigkeit. Damit wird der Sabbat aber keineswegs geschändet oder gar entheiligt, sondern die Formen der Frömmigkeit werden auf ihren eigentlichen Sinn zurückgebracht. Der Ruf Jesu verbreitet sich.
Der See Genezareth war damals durch seine Lage an den weitläufigen Handelsrouten so etwas wie eine Drehscheibe, fast schon ein Schmelztiegel, gespeist aus verschiedenen Verkehrswegen, über die Waren, aber auch Ideen und Interessen transportiert wurden. Jerusalem auf dem Berge war viel mehr abseits von den Strömen der Zeit. Bei dem, was Jesus tut und sagt, muss man sich vor dem Missverständnis hüten, er sei wie ein Arzt zu den Menschen gegangen. Das Wort, das wir in den deutschen Übersetzungen zumeist mit „heilen“ wiedergeben, lautet griechisch „therapieren“ und hat den Bedeutungsspielraum von „Kranke behandeln/heilen“, „bedienen“, „pflegen“, „verehren“. Der „Therapon“ ist griechisch der „Diener“. Die Fußwaschung etwa wäre eine solche Tätigkeit, aber genauso die Schmerzbehandlung. Er hat auch nicht alle Menschen geheilt, sondern „viele“. Und Dämonen, Seelenmächte, von denen Menschen nach damaliger Vorstellung besessen sein können, sind auch nicht so ohne Weiteres mit Krankheiten gleichzusetzen.
Ein schwieriges Thema, über das oft mit den Stichworten „Heil und Heilung“ nachgedacht worden ist. Auf jeden Fall durchbricht Jesus den Trend fast jeder Gesellschaft, Kranke und Behinderte auszusondern. Er sucht sie auf, er fasst sie an, er isst mit ihnen, er dient ihnen mit seiner selbstverständlichen Menschlichkeit und gibt ihnen wieder Hoffnung, weil er sie als Gottes Geschöpfe behandelt und sie in dieser Würde achtet. Das verstehen seine Gegner als einen heftigen Angriff auf ihre Vorrechte und ihre Hierarchie (= als heilig ausgegebene Ordnung), sie versuchen Jesus als „Grenzüberschreiter“ selbst in die Ecke der bösen Geister zu stellen und ihn als Beelzebub abzustempeln. Die Menschen erleben das anders!