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Die Bibel lesen

Sonntag: Psalm 34 Montag: Römer 8,31-39 Dienstag: Römer 9,1-5 Mittwoch: Römer 9,6-13 Donnerstag: Römer 9,14-29 Freitag: Römer 9,30-10,4 Samstag: Römer 10,5-13

Von Walter Schroeder

Gar keine Frage: Römer 8,31-39 ist ein Abschnitt zum Auswendiglernen – gerade dieses herausfordernde und zugleich demütige „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?“ Wort für Wort zu buchstabieren – mit allen Fragen, die sich im Laufe des Lebens angesammelt haben, und allen Antworten, allen Erfahrungen und Enttäuschungen, allen Krankheiten und allen Ängsten, die es ja auch gibt. Wenn man einen Abschnitt auswendig kann, dann entfaltet er sich wieder in-wendig. Ich bin gewiss, dass nichts mich scheiden kann von der Liebe Gottes! Wobei Gewissheit nicht eine Beweisfähigkeit meint etwa im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern das feste Vertrauen der Liebe, das über allem Denken ist.
Was jetzt folgt, sind die drei Kapitel, in denen sich Paulus noch einmal auf einer anderen Ebene mit der Geschichte des ersten, des „alten“ Gottesvolkes auseinandersetzt. Bisher schien das eher aus dem Blick des Einzelnen geschehen zu sein. Jetzt stellt er die Frage nach dem Warum im Blick von Gottes langfristigem Heilsplan. Selbst wenn Paulus gerade im ersten Abschnitt wieder sehr persönlich in das Thema einsteigt, an seiner Traurigkeit teilhaben lässt, so gipfelt seine Gedankenführung bei der Frage (11,1): Hat Gott denn sein Volk verstoßen? Und er gibt im gleichen Atemzug die Antwort: Auf gar keinen Fall! Vielmehr hat die Geschichte Israels unter anderem auch ihren Sinn darin, dass durch „ihren Fall den Heiden (also allen anderen Völkern!) das Heil widerfahren ist“. (11,11). Während für das Judentum  der Gedanke einer Mission anderer Völker bis heute fremd ist, weil sich in seinem Selbstverständnis der  Bund nur auf das Verhältnis zu Israel bezog, erkennt Paulus die Ausweitung, die durch Christus geschehen ist. Er selbst ist seitdem der „Heiden-Apostel“, gesandt zu allen, und er bezeichnet sich auch öffentlich mit diesem kennzeichnenden Titel. Bemerkenswert ist, dass Lukas, der sein Doppelwerk (Evangelium und Apostelgeschichte) etliche Jahre später schrieb, diesen Titel für ihn nicht ein einziges Mal benutzt, obwohl er sehr ausführlich die Missionsreisen des Paulus darstellt. Für ihn ist der Aposteltitel nur den zwölf Jüngern vorbehalten, und der eine, der Verräter, der in dieser Zählung ausfiel, wurde ganz offiziell durch eine Nachwahl ersetzt, in der Matthias nachrückte, von dessen weiterem Wirken dann aber nichts überliefert ist. Deshalb bezeichnet sich Paulus selbst auch als eine „Fehlgeburt“, unzeitig und jedenfalls für Menschen nicht vorhersehbar. Er ist derjenige, die wichtigste Aufgabe in dieser frühen Wachstumsphase der Kirche auf die Schultern gelegt bekam.