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Die Bibel lesen

Woche vom 31. Oktober bis 6. November

Sonntag:    Psalm 20
Montag:     Lukas 15, 1-10
Dienstag:     Lukas 15, 11-32
Mittwoch:     Lukas 16, 1-9
Donnerstag:     Lukas 16, 10-13
Freitag:     Lukas 16, 14-18
Samstag:     Lukas 16, 19-31

Die Reformation entdeckte die freie Gnade Gottes als ein Leitmotiv der Bibel und löste sie dadurch von der Fessel, ein Moralbuch im Dienst der bestehenden (Un-)Ordnung sein zu müssen. In unserer Zeit hat der Jüdisch-Christliche Dialog den jüdischen Charakter des Neuen Testaments an den Tag gefördert. Infolgedessen konnte es aus seiner traditionellen Rolle als antijüdisch verstandenes Grunddokument der Kirche entlassen werden. Neue Lesemöglichkeiten tun sich auf. Was die Lektüre von Lukas 15,1–16,31 betrifft: Das Lukasevangelium berichtet von einer Spanne in der Geschichte Israels. Pharisäer und Schriftgelehrte sind nicht die unbelehrbaren Vertreter des Judentums und die Jüngerschaft Jesu ist keine Vorform von Kirche, sondern alle zusammen bilden den Spiegel, in dem Lesende sich selbst erkennen.

Der wiederholte Hinweis in unserem Wochenabschnitt auf Gesetz (Thora, Weisung) und Propheten als tragendes Fundament des Gottesreiches richtet sich an alle (Lukas 16, 16-17; 29–31). Unmittelbar an 16,17 schließt sich eine Warnung vor Ehebruch an. Wenn Ehe und Thora in einem Atem genannt werden, leuchtet der Bund zwischen Gott und seinem Volk auf.

Fünf Denkgeschichten wirft Jesus in das Gespräch ein: Drei, die von der Hinwendung Gottes zu Verlorenem erzählen und alle mit einem Fest enden; eine, die sich besonders an den Schülerkreis Jesu wendet und den Umgang mit den Gütern Gottes thematisiert, und eine, die vom Verhältnis zwischen Armen und Reichen handelt.

Die ersten vier Gleichnisse sind eng miteinander verknüpft. Das lädt ein, sie aufeinander bezogen zu lesen. Der liebevolle Großmut des Vaters im Gleichnis des „verlorenen Sohnes“ nimmt das überraschende Wohlwollen des Herrn und die gerissene Großzügigkeit seines Verwalters im folgenden Gleichnis vorweg. Zwischen dem vierten und dem letzten Gleichnis ist ein Kommentar Jesu aufgenommen. Kernsatz: „Ihr könnt nicht Gott dienen und Mammon“, dem Götzen des Geldes. Die Güter Gottes sind nicht nur spiritueller Art, sondern umfassen „den Erdkreis … und die ihn bewohnen“ (Psalm 24).

Kritik an den Reichen und Gerechtigkeitshoffnung für die Armen durchzieht das ganze Lukasevangelium und findet einen Höhepunkt im Gleichnis „vom reichen Mann und armen Lazarus“. In Abrahams Schoß erfüllt sich die Bedeutung des Namens Lazarus: Gott hat geholfen – entsprechend dem hebräischen Namen von Abrahams geliebtem Diener Eliezer. So verankert der Evangelist seine Hoffnung in der grundlegenden Option von Thora und Propheten für die Armen und Verlorenen.

Dr. Jisk Steetskamp, Pfarrer i. R., ist beteiligt an der Forschung am Fachbereich Neues Testament der Universität Frankfurt am Main.