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Die Bibel lesen

Sonntag: Psalm 10 Montag: Römer 7,7-13 Dienstag: Römer 7,14-25 Mittwoch: Römer 8,1-11 Donnerstag: Römer 8,12-17 Freitag: Römer 8,18-25 Samstag: Römer 8,26-30

Von Walter Schroeder

Ein Leser rief an: „Ich habe Kapitel 3 für mich mal ganz am PC abgeschrieben und ohne Verseinteilung nur nach den Sinnabschnitten geordnet.“ Er habe dabei die leidenschaftliche Energie des Apostels gespürt und die unmittelbare Lebendigkeit dieses ungewöhnlichen Briefes „genossen“. In der Tat sind die Kapitel- und Vers­einteilungen in der Bibel erst sehr viel später erfolgt, um das Vorlesen im Gottesdienst zu erleichtern und um sich gemeinsam besser über die Texte verständigen zu können. Was schon für die Anfangskapitel galt, tritt bei den Lesungen dieser Woche womöglich noch deutlicher hervor: Paulus schreibt in Kapitel sieben von einer noch viel folgenreicheren Freiheit, nämlich der Unabhängigkeit, ja dem Abgestorbensein von Gottes Tora, obwohl doch dieses Gesetz zugleich heilig, gerecht und gut war und ist! Das ist auch für Paulus ganz persönlich ein kaum zu verkraftender Konflikt, der ihn zu zerreißen droht und nur durch Christus aufgelöst werden kann. Es ist die Spannung zwischen Wollen und Vollbringen, alter Existenz und neuem Leben in und durch Christus.
Die unmittelbare Wucht dieser Passagen ist noch immer atemberaubend, wenn man sie auf sich und in sich wirken lässt: „Ist denn, was doch gut ist, mir zum Tod geworden?“, fragt Paulus in 7,13, um dann fortzufahren: „Das sei ferne!“ Das hat er nicht in Ruhe an einem Schreibtisch im stillen Kämmerlein verfasst! Manchmal hat man sogar den Eindruck, Paulus lege in einer schonungslosen Reflexion über sich selbst und seinen eigenen Glaubens- und Lebens-Weg Rechenschaft ab. In seinem Leben hat sich etwas Typisches, Allgemeingültiges ereignet: Christus hat die Wende gebracht und einen neuen Anfang gesetzt, für Paulus, für alle Glaubenden! Wie nach einem tiefen Aufatmen geht es dann in Kapitel 8 weiter: Es ist keine Verdammnis mehr für die, die in Christus Jesus sind. Gott lässt seine gefallenen Geschöpfe nicht ins Bodenlose fallen. Es gibt bei allem Ernst und aller Gewalt des göttlichen Gerichtes ein „Aber“: Wenn Christus in uns ist, mag der alte Leib zwar tot sein, aber er wird durch die Auferstehung Christi in ein neues Leben hinein geschaffen. Während vorher alle wie Sklaven waren, sind sie nun Kinder geworden, die zu Gott Abba, Vater sagen können (8,15). Gerade an solchen Stellen zeigt sich auch die Sprachgewalt, mit der Martin Luther übersetzt hat. Dennoch: Andere Übersetzungen ergänzen die Hintergründe und Zwischentöne dieser Worte. Vor allem bei Stellen, die man auswendig weiß, eröffnen sich im Vergleich neue Zugänge.