Jesus lebt in Spannung zu seiner Familie und zu den Nachbarn, zu seiner Synagogengemeinde in seiner Heimat Nazareth. Da meint man, ihn von Jugend auf zu kennen. Gerade das verstellt ihnen aber den Blick auf den wahren Auftrag Jesu. Diese Szene bekommt später auch einen übertragenen Sinn, denn Jesus hat immer wieder Schwierigkeiten mit denen, die ihn von Jugend auf zu kennen meinen. So wie seine Angehörigen und später sogar auch die ersten Jüngerinnen und Jünger oft genug als verblendet dargestellt werden, wenn sie Jesus am Werk sahen und doch nicht begriffen, was da vor sich ging, wird die Kirche später von diesem Phänomen nicht verschont bleiben. Große Nähe kann in gewisser Weise den Blick verstellen.
Johannes, Vorbote des Heilands, wird liquidiert unter Umständen, die Künstler späterer Generationen immer wieder beschäftigt hat, fast wie bei Isaaks Opferung. Es folgen zwei Hoffnungsgeschichten. Die Speisung der Fünftausend ist eine der bekanntesten überhaupt. Gleichgültig, ob das Wunder hier darin besteht, dass Gott aus wenig Speisen viel macht, oder ob das Eingreifen Gottes mit den Worten „Wenig kann satt machen“ ausgedrückt wird, oder aber ob es vor allem um die wunderbare Erfahrung geht, dass Menschen zum Teilen gebracht werden und auf diese Weise ihren Egoismus überwinden und lernen, was in einem wirklichen Miteinander möglich ist: Die Menschen, besonders die Jünger begreifen, wie unter ihren Händen etwas geschieht, was man vorher für unmöglich hielt. So viele wurden satt und hatten sogar noch übrig! Der Auftrag Jesu wird bleiben: „Gebt ihr ihnen zu essen!“(14,16) Er kann nur bewältigt werden, wenn das Wunder und die Macht des Teilens immer wieder geübt und gewagt werden. Welch eine Ermutigung und welch eine Hoffnung gehen dann auch heute von diesem Ereignis aus! Vielleicht macht man es sich zu einfach, wenn man nur auf das majestätische Eingreifen Gottes wartet und dabei übersieht, dass Jesus hier die Menschen an ihre eigene Verantwortung und Vollmacht erinnert.
Eine krasse Geschichte ist auch die von der Heilung der Kanaanäerin. Wenn dieser Text heute bei christlichen Gottesdiensten im Heiligen Land gelesen wird, etwa in Nazareth oder Bethlehem, dann steht der aktuelle Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sofort im Hintergrund. Wer gehört zu Gottes Volk, zum Volk der Verheißung und des Bundes? Jesu Verhalten empfinden wir als brüsk, aber er macht bei aller Wahrung der „alten Werte“ ebenso klar deutlich: Alle leben von dem Brot, welches auf Gottes reich gedecktem Tisch zubereitet ist.