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Die Bibel lesen

Woche vom 27. Mai bis 2. Juni

Sonntag:    Psalm 145
Montag:     Hebräer 11, 8-22
Dienstag:     Hebräer 11, 23-31
Mittwoch:     Hebräer 11, 32-40
Donnerstag:     Hebräer 12, 1-11
Freitag:     Hebräer 12, 12-17
Samstag:     Hebräer 12, 18-24

Die „Wolke der Zeugen“ reicht weit zurück in die Geschichte und lässt zugleich ahnen, dass sie bis weit in die Zukunft fortgesetzt werden wird. Der Vergleich mit einer „Wolke“ meint eine dicht gedrängte Schar, ein Schwarm, hier sogar über die Zeiten hinweg. Was sie alle geheimnisvoll zusammenhält und gemeinsam agieren lässt, ist die feste Zuversicht.

Luther hat einmal die Bandbreite dieses Wortes aufgezählt: Es sei „Substanz, Ursache, Grundlage, Wesenheit, Besitz, Vermögen“. Durch solchen „Beweis, Garantie, Bürgschaft“ wird Gott für den Menschen so stark, dass er trotz allen Widerspruchs des Sichtbaren von der Wirklichkeit des Unsichtbaren überführt wird und sich nach ihr richtet. Das ist die Quintessenz aus dem, was die Glaubenszeugen erfahren haben. Nicht ihre Opfer, sondern ihre Zuversicht waren das Entscheidende, was man von ihnen lernen kann. Sie haben nicht „gesehen“, sondern haben „Zeugnisse“ von Gottes Reich erlebt, Zeichen (11, 19) und Gleichnisse für Gottes Reich. Isaaks Opfer ist übrigens schon in sehr frühen Predigten der alten Kirche als Hinweis auf die Auferstehung Jesu verstanden worden.

Genau wie das alte Gottesvolk auf seiner Wanderung durch die Wüste macht auch die gegenwärtige Gemeinde schwere Erfahrungen. Sie erlebt die „Züchtigung des Herrn“ (12, 5). Im Text steht da das Wort paideia, und das heißt genau genommen „Erziehung“. Eigentlich – so meint der Verfasser – müsste die Gemeinde von sich aus nach solcher Schule verlangen, denn nur der, dem Gottes Gnade paideia unter Kummer und Leid schenkt, ist Sohn im Vollsinn des Wortes. Keine Frage: So dachte man früher. Der griechische Schulbetrieb kannte zwei Figuren: den paidagogos, der für Zucht und Ordnung sorgte, und den didaskalos, der sein Fachwissen weitergab.
Die Wolke der Zeugen, die hier beschrieben wird, könnte genauso in einer Tora-Schule behandelt werden. Es sind – in Auswahl – die großen Gestalten der jüdischen Geschichte, der Menschen des ersten Bundes, die hier aufgeführt werden. Auch das Vertrauen dieser Vorbilder, ihr Glaube ohne zu schauen, wäre in beiden Religionen in gleicher Weise vorbildlich. Nur Vers 12, 24 (besser 22-24) wäre der Unterschied, weil hier Jesus als der Begründer und Mittler des neuen Bundes genannt wird. Hier könnte als Schlussgedanke und als Summe noch einmal der Vers aus 10, 35 stehen: Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat!