Den Deutschen sagt man nach, dass sie zur Angst neigen. „German Angst“ ist ein Ausdruck dafür, der es bis in die internationale Verkehrssprache Englisch geschafft hat. Wie gehen wir also in das neue Jahr? Ängstlich? Zuversichtlich?
Blickt man zurück auf die ver- gangenen Wochen und Monate, auf Krisen- und Katastrophenmeldungen, so wird man sich nicht wundern, wenn bei vielen Menschen auch hierzulande die Angst dabei sein wird.
Angst hat ihre Berechtigung. Ihr Ursprung liegt darin, Gefahren vorauszuahnen. Bestenfalls führt sie zum Vorsorgen und Planen. Das ist wie mit dem Gang zum Arzt: Wenn man sich ständig davor drückt, sich jahrelang einredet, es sei schon alles gut, dann kann das böse enden.
In der Bibel gibt es die Erzählung von den klugen und den törichten Jungfrauen. Den Kern dieses Gleichnis könnte man so formulieren: Wer darum weiß, was alles schief gehen kann, und entsprechend vorsorgt, der ist für die Zukunft besser gerüstet.
Noch etwas mag für die Berechtigung von Angst sprechen. Das sieht man an den sogenannten funktionalen Pessimisten (oder auch: Zweckpessimisten). Das sind Menschen, die grundsätzlich vom Schlimmsten ausgehen. Egal was kommen mag – Enttäuschungen bleiben ihnen erspart; es kann ja nur noch besser werden.
Aber: Angst kann dem Leben auch heftig im Weg stehen. Angst kann lähmen. Sie kann sehr leicht in Hysterie und Panik umschlagen. Dann hilft die Angst nicht mehr, Gefahren zu erkennen und ihnen schon vorweg klug zu begegnen.
Stattdessen macht sie alles erst richtig schlimm. Weil man kopflos wird. Weil der Verstand aussetzt. Weil man mögliche Lösungen und Auswege nicht mehr sieht. Das ist wie mit dem Sprichwort vom Kaninchen und der Schlange: Statt wegzulaufen und sich der Gefahr zu entziehen, verharrt das Kaninchen in Erstarrung – bis es zu spät ist.
Angst – gut oder schlecht? Es kommt darauf an, die Waage zu halten. Fahrlässigkeit kann fatal sein. Hysterie genauso.
Aber wo ist die Grenze? Ab wann muss man Angst haben? Gibt es objektive Faktoren dafür?
Interessant ist, was Steven Pin- ker herausgefunden hat. Der Evolutionspsychologe an der Universität Harvard sagt: Die Welt ist im- mer friedlicher geworden. Man mag das kaum glauben, wenn man auch nur einen Tag lang in die Schlagzeilen schaut. Aber im Verhältnis zur Bevölkerungszahl war es für den Einzelnen früher sehr viel wahrscheinlicher als heute, im Krieg umzukommen, auf der Straße erschlagen zu werden, in Sklaverei zu enden oder vom Mob gelyncht zu werden. Nur bekommen wir heute durch die Medien das Schlechte, Böse und Gewalttätige ständig und ununterbrochen vor Augen geführt.
Angst: Das ist immer auch eine Frage der Wahrnehmung.
Angst gehört zum Menschen dazu. Die Frage ist: Wohin schaue ich? „In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus Christus im Johannes- Evangelium. „Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“