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Deutschland ist im Spielefieber

Besser gemeinsam gewinnen – kooperative Spiele sind ein Trend auf der Messe “Spiel” in Essen. Dort ist die Leidenschaft fürs Spielen ungebrochen. Erwartet werden am Wochenende mehr als 200.000 Besucher.

Emma Schöne schaut sich die helle Spielkarte genau an. Die Siebenjährige aus Essen steht gemeinsam mit ihrer Schwester Anna (4) vor dem Spiel “Max der Kater”. Ein großer Apfelbaum in sattem Grün prangt in der Mitte der Spielfelds, über das Maus, Vogel, Streifenhörnchen und Kater Max ziehen. Für die Messe “Spiel”, die noch bis Sonntag in Essen stattfindet, ist eine besonders große Variante des Brettspiels aufgebaut worden.

Spielen gehört für die Mädchen zum Alltag. Ihre Eltern Simone und Dominik besuchen die eigenen Angaben zufolge größte Spielemesse der Welt seit vielen Jahren regelmäßig. Bei den Schönes ist samstags Spieleabend. “Das macht uns viel Spaß”, sagt Simone Schöne. Man verbringe Zeit zusammen. Auch eigenen sich Spiele, so erlebt es die Mutter, um Kindern Regeln beizubringen. “Dabei erleben sie: Es macht Spaß, wenn man sich an die Regeln hält.” Die Messe biete nun eine gute Gelegenheit, neue Spiele zu entdecken.

Überall im Trend: kooperative Spiele, bei denen die Teilnehmer nicht gegen-, sondern miteinander spielen. Auch “Max der Kater” des niederländischen Verlags Sunny Games funktioniert so. Anders als andere Verlage hat er, sagt Gründer Steven Michiel Rijsdijk, seit der Gründung im Jahr 2004 ausschließlich Spiele mit diesem Konzept herausgebracht; zunächst wurden dafür Spiele des kanadischen Verlags Family Pastimes importiert. Rijsdijk und seine Mitarbeiter finden: In der Welt herrsche schon genügend Wettbewerb. “Kooperative Spiele sollten die Norm sein”, sagt der Spieleverleger.

Zwei Hallen weiter sind die langen Tische vor dem roten Spielemobil bis auf den letzten Stuhl besetzt. Das Spielezentrum Herne hat seine Spieliothek aufgebaut. Seit mehr als 30 Jahren gehört die Messe zum festen Programm. Der Stand ist eine Besonderheit, sagt Susanne Klaus, stellvertretende Leiterin des Spielezentrums: “Wir sind der einzige nicht-kommerzielle Stand.”

An diesem können Besucherinnen und Besucher die Neuheiten ausprobieren, die das Spielezentrum zuvor von den Verlagen erhalten hat. Danach werden sie Teil der Spieliothek, die mehr als 18.000 Karten- und Brettspiele in der Ausleihe hat. Und auch vor Ort wird dort gespielt: “Wir laden Schulen ein, es gibt ein Spielecafé und zwei Spielegruppen”, sagt Klaus. Neben dem Spaß fördere das soziale Kompetenzen.

In Essen präsentieren sich bis Sonntag knapp 1.000 Aussteller aus mehr als 50 Ländern; über 220.000 Besucher werden erwartet. Das wäre ein Rekord. Ein weiterer ist rund um das vielleicht beliebteste Brettspiel der Welt “Catan – Das Spiel” – geplant, das Spieleerfinder Klaus Teuber 1995 als “Die Siedler von Catan” auf dem Markt brachte. Am Freitagabend wollen es mehr als 1.100 Menschen zusammen spielen und den bisherigen Rekord von 1.096 Spielern brechen.

Gespielt wurde in Deutschland zwar schon immer. Doch “Catan” hat vor 30 Jahren eine neue Leidenschaft für Brettspiele geschaffen. Dass Deutschland im Spielefieber ist, zeigt auch eine YouGov-Umfrage für die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Mitte Oktober gab nur gut jeder fünfte (22 Prozent) Befragte an, sich überhaupt nicht für Spiele erwärmen zu können. Am wenigsten begeistern lässt sich die Altersgruppe 55 plus, in der knapp jeder Dritte (31 Prozent) sagte, nicht an einem Spieleabend teilnehmen zu wollen. Anders jedoch die 18- bis 24-Jährigen – dort haben demnach lediglich 13 Prozent keine Lust darauf.

Das wird auf der Messe deutlich: Die Hallen sind voll, vor den Spieltischen bilden sich lange Schlangen. Beliebte Gesellschaftsspiele werden wie Stars gefeiert. Der am Mittwoch vergebene Deutsche Spielepreis – ihn erhielt in diesem Jahr das Strategiespiel “SETI: Auf der Suche nach außerirdischem Leben” – gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum.

Groß ist auch die Vielfalt. Am Stand von Phantasos Studio gibt es die Möglichkeit, eigene Spielfiguren zu gestalten und anzumalen. Ob sie später tatsächlich auf einem Spielbrett zum Einsatz kommen, ist nicht sicher. “Es gibt viele Menschen, die solche Figuren nur sammeln”, erklärt Dominik Cenia.

Den Figuren ein individuelles Aussehen zu geben, das ist für Cenia die totale Entschleunigung. “Ich kann mich stundenlang darauf fokussieren und kreativ sein.” Die Nachfrage sei da: “Seit der Corona-Pandemie erleben wir einen stetigen Aufwärtstrend.”