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Der Tod ist radikal

Eine Kuchengabel voll Unendlichkeit – Gedanken zum Predigttext am Sonntag Judika. Von Amet Bick, Theologin und Redakteurin von „die Kirche“

Predigttext für den Sonntag Judika: Hebräer 5,7–97 Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. 8 So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. 9 Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden.

VonAmet Bick

„Ich glaube, ich habe Angst vor dem Tod“, sagte neulich eine Freundin zu mir. Wir saßen im Café, vor uns Kaffee und Kuchen. Vor dem Fenster hing die Dunkelheit, aber drinnen war es warm und hell. Meine Freundin war am Tag zuvor auf der Beerdigung ihres Onkels gewesen. Mit einer kleinen Trauergemeinde hatten sie ihn unter die Erde gebracht. „Der Tod ist so kalt“, sagte meine Freundin. Der Kuchen war süß und tröstlich. Stimmen und leise Musik bildeten ein heiteres Hintergrundrauschen. „Aber du merkst doch gar nichts mehr“, sagte ich und wusste natürlich, dass sie nicht nur die Kälte der März-Erde meinte. Wohl eher die Kälte der Trennung, der Auflösung, der Angst vor dem Nichts. Auch Jesus scheint das gefürchtet zu haben. Das qualvolle Sterben am Kreuz vor Augen bittet und fleht er, mit lauten Schreien und Tränen wendet er sich an Gott, er möge ihn retten, so heißt es im Hebräerbrief. Doch Gott greift nicht ein, kann es nicht oder will es nicht. In Angst und Qual fühlte Jesus sich seinem göttlichen Vater unendlich fern. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, diese letzten Worte am Kreuz können viele Menschen in tiefster Not nachsprechen, wenn ihr Leben oder das ihrer Liebsten bedroht ist. Der Tod ist radikal, das ist schwer auszuhalten. Wir mögen vertraute Wege, wir mögen den Glauben an unseren freien Willen und die Selbstbestimmung. All das wischt der Tod mit einer Bewegung weg. Tabula rasa. Ein endgültiger Abschied, wir haben keine Kontrolle mehr, über das, was passiert. Leid, Schmerz und Endlichkeit gehören jedoch zu uns. Jesus Christus ist uns Menschen so nah gekommen, weil er all das annahm. Er war nicht Mensch, weil er lachen, feiern und lieben konnte, was uns ja auch auszeichnet, sondern weil er litt und starb. Und dabei lernte er Gehorsam, so heißt es im Hebräerbrief.

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