Der Umgang mit dem Tod wird unterschiedlich gehandhabt: In der einen Familie dürfen Kinder den Verstorbenen weder sehen noch werden sie zur Beerdigung mitgenommen. Das Thema ist tabu. In der anderen Familie zeigen sich Kinder interessiert, wollen die tote Oma berühren. Stellen fest, dass sie kalt ist, wollen wissen, ob Oma friert. Und warum sie so eine komische Hautfarbe hat.
Die Tendenz geht in unserer Gesellschaft aber eher dahin, dass der Tod tabuisiert wird. Wenn jemand erzählt, wie ein Angehöriger gestorben ist, können das viele Menschen nicht gut hören. Mancher tut sich schwer, mit der Trauer anderer oder auch der eigenen umzugehen. Der Tod gilt als schweres, unliebsames Thema.
Das liegt wohl auch daran, dass wir nicht gerne mit unserer eigenen Endlichkeit konfrontiert werden. Dabei steht bereits bei der Geburt fest, dass das Leben eines Tages zu Ende sein wird.
Im Psalm 90 – der Psalm wird Mose zugeschrieben – heißt es: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Unsere Zeit auf Erden ist begrenzt. Wer bereit ist, sich das bewusst zu machen und nicht zu verdrängen, hat die Chance, sein Leben intensiver zu leben. Das Verständnis von unserer Endlichkeit löst oft eine innere Verschiebung der Perspektive aus.
Den Tod im Leben integrieren – wie kann das aussehen? Zum Beispiel kann es lohnend sein, sich vor Entscheidungen zu fragen, was angesichts des Todes wichtiger wäre. Sich zu überlegen, würde man auf dem Totenbett eher dies oder jenes bereuen? Den Tod integrieren heißt aber auch, nicht wegzusehen, wenn ein Mensch im Sterben liegt. Oder wenn jemand trauert. Sondern sich zuwenden, fragen, was man für die Betroffenen tun kann. Sagen, dass man an sie denkt, für sie betet und für sie da ist, wenn sie etwas brauchen.
Den Tod im Blick haben heißt auch, sich mit dem eigenen Tod befassen. Regeln, was man regeln kann – vom Testament bis hin zur Patientenverfügung.
Irvin Yalom, Psychoanalytiker und Vertreter der existenziellen Psychotherapie, hat sich intensiv mit der Frage nach dem Tod beschäftigt und seine Patienten regelmäßig damit konfrontiert. Manche waren todkrank, andere nicht. Seine Erfahrung: Die meisten seiner Patienten haben durch die Beschäftigung mit ihrer Endlichkeit eine Wandlung erfahren, Yalom nennt es Persönlichkeitswachstum.
Einige seiner Beobachtungen: Die Prioritäten im Leben verschieben sich. Viele leben in der Gegenwart statt das Leben auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben – „irgendwann mal“, „später“, „in der Rente“. Zwischenmenschliche Ängste nehmen ab, dafür wird der Umgang mit geliebten Menschen wertschätzender und die Gespräche tiefer. Dagegen verlieren Aspekte wie finanzieller und beruflicher Erfolg, Ansehen und Besitz an Bedeutung.
Christinnen und Christen haben eine Hoffnung über den Tod hinaus. Aber auch für sie kann es sich lohnen, sich immer wieder vor Augen zu führen: Das Leben hier, auf der Erde, ist endlich.
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Der Tod als Teil des Lebens
Niemand wird gerne mit dem Tod konfrontiert. Dennoch ist jeder Mensch davon betroffen – vom eigenen Tod und dem geliebter Menschen. Warum es sich lohnt, den Tod im Leben zu integrieren