Predigttext in Auszügen
3 Nach einiger Zeit brachte Kain von den Früchten des Ackers Adonaj eine Opfergabe dar. 4 Daraufhin brachte auch Abel etwas von den Erstgeburten seiner Herde dar. Adonaj beachtete Abel und seine Opfergabe, 5 Kain aber und seine Opfergabe nicht. Das ließ Kain aufs Äußerste entflammen. 6 Da sagte Adonaj zu Kain: „Warum brennt es in dir? Und warum entgleiten deine Gesichtszüge derart? 7 Ist es nicht so: Wenn dir Gutes gelingt, schaust du stolz; wenn dir aber nichts Gutes gelingt, lauert die Sünde an der Tür. Auf dich richtet sich ihr Verlangen, doch du – du musst sie beherrschen.“ 8 Da wollte Kain seinem Bruder Abel etwas sagen – doch als sie auf dem Feld waren, erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und tötete ihn. 9 Adonaj sagte zu Kain: „Wo ist Abel, dein Bruder?“ Der sagte: „Das weiß ich nicht.“ 10 Daraufhin: „Was hast du getan? Laut schreit das Blut deines Bruders zu mir vom Acker her. 11 Also: Verflucht bist du, weg vom Acker, der das Blut deines Bruders von deiner Hand geschluckt und aufgenommen hat!“ 13 Da sagte Kain zu Adonaj: „Meine Schuld ist zu groß, sie kann nicht aufgehoben werden. 14 Doch schau, du vertreibst mich heute vom Antlitz des Ackers, und auch vor deinem Antlitz muss ich mich verbergen und soll heimatlos und ruhelos auf der Erde sein – dann kann jeder mich töten.“ 15 Da sprach Adonaj zu ihm: „Also denn: Wer Kain tötet, soll siebenfach gerächt werden.“ Und Adonaj machte ein Zeichen für Kain, so dass nicht jeder ihn erschlagen kann, der ihn findet. Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache
Nach dem Verlassen des Paradieses müssen die Menschen sich in der Welt bewähren. Nicht mehr im Schutz des Gartens zu leben, sondern selbst zu wissen, was gut und böse ist, birgt Gefahr. In der Erzählung vonm Mord eines Mannes an seinem Bruder (Kain und Abel) geht es zum ersten Mal in der Bibel um Sünde.
Was war geschehen? Kain und Abel hatten beide Gott ein Dankopfer für den Ertrag ihrer Arbeit gebracht. Doch Gott hatte nur Augen für Abels Gabe. Kain und seine Opfergaben blieben unbeachtet.
Wie im Paradies, so geht es hier um eine Ursituation von Menschen. Abel und Kain hatten sich gleichermaßen angestrengt. Aber sie sind verschieden erfolgreich.
Wer kennt das nicht? Der Einen gelingt alles, sie bekommt volle Anerkennung. Der Andere wird übersehen, selbst wenn er das Gleiche leistet.
Wichtig ist, wie Menschen mit Zurücksetzungen umgehen, – und das, sagt die Bibel, kann gelernt werden. Wir sind ihnen nicht hilflos ausgeliefert.
Kain ist wütend. Er brennt vor Zorn – und ich verstehe ihn. Die Erfahrung, nicht beachtet zu werden, kann zutiefst verstören. Aus Sicht Kains hat Gott jede Verbindung zu ihm abgebrochen. Doch Gott bemüht sich um Kain, spricht ihn an, warnt ihn. Wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen, im Großen, Politischen, wie im Kleinen, um die Spirale von Gewalt zu unterbrechen, wissen wir nur zu gut.
Hier kommt zum ersten Mal in der Bibel das Wort „Sünde“ vor. Gott erklärt Kain, die Sünde, die er im Sinn hat, seine Mordgelüste, seien zu beherrschen, wenn er nur wolle – eine Frage, die sich bei Gewaltdelikten immer wieder stellt. Ist der Täter/ die Täterin der Wut hilflos ausgeliefert, vielleicht wegen frühkindlicher Prägungen? Oder hätte sie/er vom Tötungsvorsatz zurücktreten können? Musste das Baby sterben, weil sein Vater durch nächtelanges Schreien maßlos genervt war?
Kain antwortet nicht. Er bricht den Kontakt mit Gott ab und erschlägt seinen Bruder.
Gott stellt Kain zur Rede, aber Kain leugnet. In altorientalischem Denken verunreinigt gewaltsam vergossenes Blut den Acker. Kain hatte den Acker bebaut und Gott von seinen Früchten Dankopfer gebracht. Mit dem Mord hat Kain selbst dem Acker die Kraft genommen, Früchte zu tragen.
Kain begreift. Seine Situation lässt ihn am Leben verzweifeln. Jetzt endlich ist er zum Kontakt mit Gott bereit. Kain bekennt seine Schuld. Gott vergibt Kain nicht. Das wäre furchtbar für die Opfer, wenn es so einfach wäre: Bereuen und gut ist es! Doch Gott schützt Kain, indem er die Tatfolge tragbar macht. Gottes Eingreifen unterbricht die drohende Spirale von Gewalt, die Blutrache und Lynchjustiz nach sich zieht, mit dem Schutzwort: „Wer Kain tötet, soll siebenfach gerächt werden.“ (Vers 15)
Neid auf das Glück der anderen, Zurücksetzung zu erleben, trotz starken Bemühens erfolglos zu sein sind starke Kräfte, auf die Menschen so oder so reagieren. Sie können dem Unrecht widerstehen, selbst wenn viele es oft nicht schaffen. Kain ist ein Extrembeispiel menschlichen Fehlverhaltens. Doch selbst dann bleibt Mensch nicht gottverlassen. Wie das Opfer, so hat Gott auch den schuldig Gewordenen im Blick – Gott sei Dank!