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Der kleine Klaps – Gesetzlich verboten, für viele trotzdem okay

“Ein kleiner Klaps hat noch niemandem geschadet.” Solche oder ähnliche Sprüche sind immer noch zu hören. Aber zumindest laut Umfragen sind körperliche Strafen heute weit weniger akzeptiert.

Eltern, die ihren Kindern mit dem Teppichklopfer eine Tracht Prügel verpassen, sie “windelweich” schlagen. Oder ihnen mit einem Schlag auf den Hinterkopf verpassen, weil dieser ja – so lautet der Spruch – “das Denkvermögen erhöht”: Umfragen zufolge gibt es derartige körperliche Strafen heute weniger als noch in den 1980er oder 90er Jahren, ganz zu schweigen von der Nachkriegszeit mit ihrer “Schwarzen Pädagogik”. Den kleinen Klaps oder wenn einem “mal die Hand ausrutscht”, das sehen viele Menschen gestressten Eltern immer noch nach. Dabei ist Gewalt in der Erziehung auch per Gesetz verboten. Inzwischen seit einem Vierteljahrhundert.

In der rot-grünen Bundesregierung war es die damalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD), die das Vorhaben zum Verbot vorantrieb und von einem neuen Erziehungsbild sprach. “Das, was über viele Generationen gang und gäbe war, wird jetzt wirklich ersetzt”, so betonte Bergmann damals. Damals berichteten laut Untersuchungen etwa vier von fünf Kindern, dass sie körperliche oder psychische Gewalt erlitten hatten.

Mit rot-grüner Mehrheit beschloss der Bundestag am 6. Juli 2000 das “Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung”. Die Union bezeichnete es wegen fehlender strafrechtlicher Konsequenzen als Luftnummer. Vier Monate später, am 8. November, trat es in Kraft. Seitdem steht im Bürgerlichen Gesetzbuch: “Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig”. Parallel startete Bergmann eine Kampagne und warb für “mehr Respekt vor Kindern”. Neue Beratungsstellen und Trainings entstanden; hier sollte und soll Eltern geholfen werden, ihre Kinder auch in Stresssituationen gewaltfrei zu erziehen.

Blickt man zurück, ist es ein langer Weg bis zu dieser Reform: Schon in der Bibel heißt es im Alten Testament im Buch der Sprüche: “Der seine Rute schont, der hasst seinen Sohn. Wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn bald.” Und noch bis 1958 stand im Bürgerlichen Gesetzbuch: “Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden”.

Bis 1980 werden dann die Mittel zur Erziehung nicht mehr näher definiert. Erst danach heißt es, dass zumindest “entwürdige Erziehungsmaßnahmen unzulässig” sind. 1998 wird das mit folgendem Satz noch einmal näher ausgeführt: “Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Misshandlungen, sind unzulässig”.

Dass Kinder ohne Schläge erzogen werden sollen und dies sogar im Gesetz festgehalten ist, scheint aber auch 2025 noch längst keine Selbstverständlichkeit zu sein – wenn auch die Zahlen sinken. Laut einer aktuellen Befragung der Uniklinik Ulm lehnen zwar rund zwei Drittel körperliche Strafen ab; aber 30,9 Prozent der Befragten halten einen Klaps auf den Hintern für vertretbar, 14,5 Prozent eine leichte Ohrfeige. Der Aussage “Eine Tracht Prügel hat noch keinem Kind geschadet” stimmten immerhin noch fünf Prozent der Befragten zu.

Insgesamt ist aber die gesellschaftliche Sensibilität beim Thema Gewalt in der Erziehung gestiegen. Wird ein Kind in der Öffentlichkeit geschlagen – etwa auf einem Spielplatz – nehmen das in der Regel andere Eltern nicht einfach hin. Schwieriger ist das bei psychischer Gewalt – wenn etwa Eltern ihre Kinder permanent herabsetzen oder permanent als Ursache jeglichen Übels wahrnehmen.

Dabei kann das für Kinder langfristige psychische Folgen haben, so der Ulmer Mediziner Jörg Fegert, der die aktuelle Befragung verantwortete. Auch Jugendämter und Gerichte täten sich schwer, diese Form von Kindeswohlgefährdung anzusprechen und angemessenen Schutz für die betroffenen Kinder herzustellen, so der Wissenschaftler.

Experten sind auch deshalb dafür, den Begriff der gewaltfreien Erziehung gesetzlich weiter zu präzisieren. Neben physischer und psychischer Gewalt gehöre zu einem solchen erweiterten Begriff auch eine Vernachlässigung von Fürsorgepflichten. Denn, so betonen sie, die Geschichte der gewaltfreien Erziehung in Deutschland zeige, wie gesetzliche Maßnahmen zu nachhaltiger positiver gesellschaftlicher Veränderung führten. Uneins sind sich Wissenschaftler dagegen, ob es helfen würde, Kinderrechte zu stärken und sie ins Grundgesetz aufzunehmen. Im aktuellen Koalitionsvertrag taucht die Forderung nicht mehr auf.