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Der Blick in den Sternenhimmel macht demütig

Alfred Hirsch ist katholischer Seelsorger in Dillingen an der Donau. Der begeisterte Sternengucker führt immer wieder Gruppen durch Teleskopabende in den Sternenhimmel ein und leitet Pilgerwanderungen unter dem Nachthimmel. Am 16. Oktober erscheint sein neues Buch „Staunen unterm Himmelszelt“ im Münchner Claudius Verlag. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erzählt Hirsch, warum der Blick in die unendlichen Weiten des Weltalls so faszinierend ist und warum er ihn demütiger macht.

epd: Herr Hirsch, was begeistert Sie so am Sternenhimmel?

Alfred Hirsch: Seit ich mit 13 Jahren das erste Mal durch das Teleskop eines Freundes schauen durfte, bin ich fasziniert vom Sternenhimmel. Ich habe den Saturn mit seinen Ringen gesehen, ein Moment, den ich nie vergessen werde. Auf der einen Seite die unendlichen Weiten des Weltalls, und dann plötzlich diese kleine leuchtende Kugel, umgeben von zarten Ringen. Unglaublich. Die Schönheit der Natur geht einem erst so richtig auf, wenn man länger in den Sternenhimmel blickt.

epd: Für Sie ist der Blick in den Sternenhimmel auch eine spirituelle Erfahrung. Warum?

Hirsch: Der Sternenhimmel ist für mich wie eine heiße Spur zum Schöpfer. Der erste Schritt zum Glauben ist das Staunen. Und wenn wir beim Blick in diese unendlichen Weiten nicht staunen können, ja wo denn dann? Wenn man die Sterne beobachtet, kann man abschalten, allein wegen der nächtlichen Stille. Bei spirituellen Übungen ist Stille und zur Ruhe kommen ein wesentliches Element.

epd: Und Sie sagen, dass der Blick in den Sternenhimmel auch demütig macht…

Hirsch: Der Blick in den Sternenhimmel macht zufriedener, demütiger, dankbarer und bescheidener. Und zwar weil man merkt, welch winziger Teil des ganzen Kosmos wir Menschen eigentlich sind, ein winziges Staubkorn. Diese Weite macht mich demütig. Vieles, was ich als Problem sehe, relativiert sich plötzlich. Ich staune über die Größe des Kosmos und zugleich staune ich darüber, dass trotz allem Gott an mich und jeden einzelnen Menschen denkt. Wir sind Teil einer großen Geschichte, und ich bin dankbar, dass ich teilnehmen darf.

epd: Sprich: Würden wir alle bewusster in den Himmel schauen, wäre die Welt eine friedlichere?

Hirsch: Ja, ich denke schon. Eine bessere in jedem Fall. Wir alle kennen die Fotos der Erde vom Mond aus gesehen: ein wunderschöner, friedlich wirkender blauer Planet. Da gibt es keine einzelnen Nationen und keine Grenzen zwischen Ländern, wegen der Kriege geführt werden. Solche menschengemachten Dinge werden vor dem Hintergrund des riesigen Kosmos nebensächlich. Der Blick auf die Erde zeigt auch, dass wir eine Einheit und aufeinander angewiesen sind.

epd: Sie bieten Spaziergänge unterm Nachthimmel an, lassen Menschen durch Ihre Teleskope schauen. Wie kommen diese Angebote an?

Hirsch: In den USA ist die Gehweg-Astronomie verbreitet. Menschen, die ein Teleskop besitzen, bauen es draußen auf und lassen andere durchschauen. Sie wollen andere am Wunder des Kosmos teilhaben lassen. Das versuche ich auch. Ich biete Pilgerwanderungen an oder baue bei besonderen Himmelsereignissen vor dem Pfarrbüro mein Teleskop auf. Die Leute kommen dann vorbei und schauen interessiert, was ich da mache. Ich merke schon, dass die Menschen fasziniert vom Weltall sind.

epd: Warum werden Astronomen eigentlich so oft gefragt, ob es Gott gibt?

Hirsch: Ein Astronom kann auch nicht mehr über Gott erzählen als jeder andere auch. Aber: Nicht wenige Menschen stellen sich bis heute Gott irgendwie da oben vor. Das ist ein altes Gottesbild, das bis heute wirkt. Das Weltall wird also mit Gott in Verbindung gebracht. Dazu kommt, dass die Astronomie Grundfragen der Menschheit hochkommen lässt, zum Beispiel woher wir kommen und was eigentlich das Universum zusammenhält. Aber die tiefsten Sinnfragen kann die Wissenschaft nicht beantworten. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Für viele Menschen kommt daher Gott ins Spiel.

Und: In der Bibel wimmelt es von Sternen. Dort haben sie bedeutende Aufgaben. Sie künden zum Beispiel Verheißungen Gottes an. Am bekanntesten ist der Weihnachtsstern, der die Geburt Jesu ankündigt. Das meistgenannte Symbol für Gott in der Bibel ist das Licht, dazu gehören die Gestirne. Grundsätzlich sind Sterne in der Bibel wie „Vergissmeinnicht Gottes“, die auf die Größe und Schönheit des Schöpfers, sowie auf seine Gegenwart aufmerksam machen wollen.

epd: Haben Sie eigentlich ein Lieblings-Himmelsobjekt?

Hirsch: Da gibt es viele. Der Saturn mit seinen Ringen, den ich mit 13 Jahren gesehen habe, ist für mich schon ein besonderer Planet. Aber auch der Mond ist immer faszinierend. Der Mond ist ohnehin unterschätzt, finde ich. Wir sehen ihn schön leuchtend am Himmel. Er ist immer da, auch wenn er nicht immer sichtbar ist. Aber gäbe es ihn nicht, wäre unsere Erde nicht so stabil, würde sich schneller drehen, wir hätten enorme Klimaschwankungen. Das Leben wäre viel ungemütlicher. Auch Kugelsternhaufen in unserer Milchstraße sind total faszinierend: ein paar Hunderttausend Sonnen, die wie Diamanten funkeln.

Apropos Funkeln: Das am weitesten entfernten Objekt, das wir mit unseren Augen sehen können, ist über zwei Millionen Lichtjahre entfernt – nämlich die Andromedagalaxie, die mich daher auch immer wieder zum Staunen bringt. Das Licht, das wir sehen, ist seit über zwei Millionen Jahre unterwegs. Da erreicht man die Grenzen seiner Vorstellungskraft. Bei solchen Dimensionen von Unendlichkeit kann man doch nur staunen und demütig werden. (3114/08.10.2025)