Es gibt Menschen, mit denen das Zusammenleben leicht ist. Das sind solche, die auf andere eingehen können. Die Mitgefühl zeigen, bereit sind, zu teilen, zu helfen oder geduldig auf einen anderen zu warten. Sie gelten als besonders sozial und sind ein Gewinn für jede Gemeinschaft. Für eine steile Karriere in der Wirtschaft dagegen schienen andere Eigenschaften notwendig: Energie. Zielstrebigkeit. Durchsetzungsvermögen. Machtbewusstsein.
Jetzt hat eine Studie gezeigt, dass auch die sozialen Fähigkeiten wichtig sind für Erfolg im Beruf (siehe Seite 5). Wer sich dagegen nicht vorstellen kann, wie Kolleginnen oder Kollegen fühlen, wer sich ihnen gegenüber nicht öffnet und auch mal selbst zurücksteckt, tut sich schwerer mit der Karriere.
Gut zu wissen – und ein Plus für die, die aus einer gesellschaftlich anerkannten Gruppe stammen: Sie bringen diese Fähigkeiten in der Regel mit.
Bei Menschen, die aus einem benachteiligten Milieu stammen, das hat die Studie ebenfalls gezeigt, sind sie dagegen häufig nur gering ausgeprägt. Kinder aus sozial schwachen Familien haben häufig keine Vorbilder dafür, dass es zum Beispiel sinnvoll sein kann, Spielzeug oder Süßigkeiten mit anderen zu teilen. Oder geduldig eine Sache abzuwarten, um danach einen größeren Erfolg zu erzielen.
Das erschwert es ihnen zusätzlich, einen anerkannten Platz in der Gesellschaft zu finden – und wahrscheinlich macht es ihr Leben auch weniger glücklich.
Man kann das ändern, auch das hat die Studie gezeigt. Sogar mit relativ geringem Aufwand – wenn man früh genug ansetzt. Für eine Gesellschaft wäre es sinnvoll, an dieser Stelle zu investieren, denn je gerechter Bildungs- und Aufstiegschancen verteilt sind, desto besser und effizienter funktioniert ein Gemeinwesen. Gesellschaften, in denen die Schere zwischen Arm und Reich besonders weit auseinanderklafft, funktionieren in der Regel auch insgesamt schlecht.
Die Förderung Benachteiligter zahlt sich also aus. Es ist gut, wenn Wissenschaftler und Politiker dem Rechnung tragen. Eine Sache droht über diese Überlegungen jedoch in Vergessenheit zu geraten: Einfühlungsvermögen, Unterstützung, Verzicht zugunsten anderer, Geduld – all das sind nicht nur Bausteine politischen Kalküls. Ganz ursprünglich sind es, so glauben jedenfalls Juden und Christen, Gebote Gottes. Sie sind geboten, weil sie ein Zusammenleben von Menschen ermöglichen, das Gottes Willen entspricht: bei dem alle zu ihrem Recht kommen, ganz gleich, woher sie stammen, wie produktiv sie sind oder ob sie überhaupt etwas leisten.
Darum ist es sinnvoll, wenn die Kirche sich für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit einsetzt. Besonders wichtig ist es aber, dass sie auch in allem politischen Bemühen immer wieder auf das Evangelium hinweist: Der Mensch hat seine Würde von Gott. Ganz ohne eigene Leistung.
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Der andere Weg nach oben
Die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen, ist wichtig für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft. Mitgefühl und Hilfe für die Schwachen sind aber vor allem eins: Gebote Gottes