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Debatte um Wartezeiten in Praxen – Kritik von Patientenschützern

Eine Termingarantie sei “populistischer Blödsinn”, sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Akut-Sprechzeiten würden Patienten genug helfen. Das bestreiten Patientenschützer.

Überfüllte Wartezimmer und ewiges Vertrösten auf einen Termin – ist das das reale Leid der Kassenpatienten oder nur Schwarzmalerei? Die Debatte um lange Wartezeiten in Arztpraxen ist erneut entfacht.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, wehrt sich gegen den Vorwurf, dass Kassenpatienten lange auf einen Termin warten müssten. “Für viele Hauspraxen gilt das nicht, sie bieten Akut-Sprechzeiten an. Auch bei Fachärzten muss man die Kirche im Dorf lassen, im internationalen Vergleich sind unsere Wartezeiten kurz”, sagte Gassen der “Rheinischen Post” (Samstag).

Dem entgegnet die Deutsche Stiftung Patientenschutz, dass weder die Angebote der Notfallsprechstunden, die Erreichbarkeit oder Präsenzzeiten der hunderttausend Praxen von der Lobby der Kassenärzte überprüft würden. “Deshalb sind eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Qualitätsüberprüfungen überfällig”, sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Gassen erklärte zuvor, dass in Deutschland Patienten die freie Arztwahl hätten. “Der Preis dafür ist, dass sie bei gefragten Ärzten Wartezeiten in Kauf nehmen. Echte Notfälle werden entgegen aller Stimmungsmache hierzulande sofort versorgt”, sagte Gassen. Forderungen nach einer Termingarantie für Kassenpatienten nannte er “populistischen Blödsinn”. Dafür müsste es zunächst klare medizinisch begründete Dringlichkeiten geben, und Praxen müssten über freie Kapazitäten verfügen, erklärte Gassen.

Ein Arzt wende im Schnitt 60 Tage im Jahr für Bürokratie auf – “Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Kassen und IT-Ärger inklusive”. Diese Zeit würden Ärztinnen und Ärzte lieber mit der Versorgung ihrer Patienten verbringen, sagte Gassen.

Brysch betonte dagegen: “Populismus von Ärzten und Politik hilft niemandem. Die Kranken im ganzen Land erleben, dass die kassenärztlichen Bereitschaftsdienste und ambulanten Notfallpraxen zusammengestrichen werden. Gerade Patientinnen und Patienten in strukturarmen Regionen trifft es hart, denn auch hier zieht sich die kassenärztliche Versorgung zurück.”

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich im “Tagesspiegel” gegen eine “Diskriminierung” gesetzlich Versicherter in Teilen des Gesundheitswesens gewandt. “Längere Wartezeiten für Kassenpatienten in Praxen und Krankenhäusern sind nicht weiter tragbar. Diese Diskriminierung muss schnellstmöglich enden.” Jeder gesetzlich Versicherte müsse genauso schnell behandelt werden wie ein Privatversicherter.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hatte zuvor laut Redaktionsnetzwerk Deutschland kritisiert, dass Privatversicherte gegenüber gesetzlich Versicherten bei der Vergabe von Arztterminen bevorzugt würden. Dagegen müsse etwas getan werden.