Von Harald Lesch und Josef Gaßner
Gaßner: So wie wir von der Evolution der Organismen sprechen, müssten wir auch von der Evolution der Erde als Ganzes sprechen. Sie schuf erst die Voraussetzung für die Entwicklung des Lebens. Die Ur-atmosphäre bestand aus Stickstoff, Ammoniak, Methan, Kohlendioxyd und Wasserdampf und – wohl gemerkt – es gab keinen freien Sauerstoff. Lesch: Heute kennt man jedoch die Gaszusammensetzung, die bei einem Vulkanausbruch frei wird, und kann Rückschlüsse auf die damalige Erdgeschichte ziehen. Wir wissen inzwischen von etlichen Stoffen, die niemals entstanden wären, wenn die „Luft“ damals Sauerstoff enthalten hätte. Gaßner: Und es gibt einen Zeitzeugen, den wir „befragen“ können: die Venus. Ihre Atmosphäre ist noch heute der Uratmosphäre der Erde sehr ähnlich. Sie bedingt eine mittlere Oberflächentemperatur von 460 Grad Celsius, was der Temperatur im Brennraum eines Kachelofens entspricht. Ohne diesen gewaltigen Treibhauseffekt wäre die theoretische Oberflächentemperatur etwa minus 40 Grad Celsius. Bei uns ist es anders gekommen und der wesentliche Grund dafür ist der Regen. Lesch: Es hat gegossen, sintflutartig! Gaßner: Ich weiß ja nicht, wie das Wetter dort gerade ist, wo Sie diese Zeilen lesen. Aber eines kann ich Ihnen versichern, damals war es schlechter. Der zehnfache Monsun – unvorstellbar! Über einen Zeitraum von mindestens 40000 Jahren hat es gegossen wie aus Kübeln. Das ist doch mal eine schlechte Wetterlage. Lesch: Wir ahnen inzwischen, wie unter diesen Bedingungen Kohlenwasserstoff-Moleküle entstehen konnten, aber das größte Fragezeichen bleibt leider bestehen. Ich will jetzt nicht wie Schopenhauer klingen, aber wie entsteht aus diesen ersten Bausteinen ein Lebewesen, das den Willen hat zu überleben, das versucht, aktiv auszuweichen und nicht nur passiv irgendwie in der Flüssigkeit herumdümpelt? Ich frage nach dem entscheidenden Funken – Moleküle gibt es offenbar reichlich –, aber das Leben … was ist das Leben und wie kommt es in die Moleküle?
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