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Das große schwarze Loch

Es ist der große Moment: Zwei Konfirmanden stehen vor dem Altar. Die Pfarrerin hebt die Hände, legt sie den Jungen auf ihre Köpfe und beginnt mit lauter Stimme: „Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist schenke dir seine Gnade …“ Schweigen. Noch mehr Schweigen. Dann: „Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und schenke dir Frieden dein Leben lang. Amen.“

Puh. Was den meisten Gottesdienstbesuchern an diesem Konfirmationssonntag gar nicht aufgefallen ist, hat der Pfarrerin sicherlich den Blutdruck in die Höhe und den Schweiß auf die Stirn getrieben. Ein Hänger. Ein Erinnerungsloch. Bekannt und gefürchtet bei jedem, der auswendig vor Publikum sprechen muss.

Mit ein bisschen Geistesgegenwart und Erfahrung lässt sich so ein Aussetzer überbrücken. Die Pfarrerin war routiniert genug, um auf einen anderen Segen auszuweichen. Aber was, wenn wirklich jeder den Text mitsprechen kann? „Vater unser im Himmel“ – und jetzt? „Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, als er verraten ward“ – wie ging es nochmal weiter?
Schauspieler haben einen Souffleur für den Notfall. Pfarrerinnen und Pfarrer drucken sich auch nach Jahrzehnten im Amt Vaterunser und Glaubensbekenntnis aus, um ganz sicher zu sein. Oder sie werden nach dem einleitenden Satz so leise, dass Versprecher kaum auffallen. Ansonsten können sie nur beten, dass der Heilige Geist ihnen vielleicht doch noch die fehlenden Worte eingibt. Und auf die Nachsicht der Gemeinde hoffen. Denn, Hand aufs Herz: Wer hätte am Sonntagmorgen beim Glaubensbekenntnis nicht selbst schon mal den Anschluss verpasst …