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Das Ende vom Ende

Die Kirchturmglocke schlägt, Regen prasselt, der Donner grollt. „Was ist das, was vor mir steht? Eine Gestalt in Schwarz zeigt auf mich“, singt Ozzy Osbourne mit klagender Stimme. „Oh, nein, Gott hilf mir bitte!“. „Black Sabbath“, das ist der erste Song des gleichnamigen Debütalbums aus dem Jahr 1970 und auch Bandname der Heavy-Metal-Urväter. Das Lied ist düster und wie das Gesamtwerk erfüllt von der Faszination für die dunkle Seite des Lebens: Tod, Gewalt, Krieg, Drogen, Irrsinn.

Nun gehen „Black Sabbath“ ein letztes Mal auf die Bühne: In ihrer britischen Heimatstadt Birmingham geben die vier Gründungsmitglieder am 5. Juli ihr Abschiedskonzert unter dem Motto „Back to the Beginning“ – das erste Konzert in Originalbesetzung seit 20 Jahren. Unterstützt werden sie von Kollegen aus Bands wie „Metallica“ und „Guns’n Roses“.

Der Auftritt im „Villa Park“, für den in Windeseile im Internet alle Tickets verkauft waren, markiert das Ende der wohl berühmtesten Heavy-Metal-Band aller Zeiten. Mehr als 75 Millionen Alben hat „Black Sabbath“ verkauft. Die Einnahmen des Abschiedskonzerts gehen an die Organisation „Cure Parkinson“ zur Erforschung von Parkinson sowie an ein Kinderkrankenhaus und ein Kinderhospiz.

1968, in der Hochphase der sanften Hippies, gründeten Ozzy Osbourne (Gesang), Tony Iommi (Gitarre), Geezer Butler (Bass) und Bill Ward (Schlagzeug) ihre Gruppe, die völlig anders klang: Bleischwere Gitarrenriffs, ein rumpelnder Bass und Schlagzeug-Getrommel gaben dem gängigen Blues-Rock eine harte Kante.

Die Musiker kleideten sich schwarz, hängten sich Kreuze um, griffen in ihren Texten und Bühnenshows Elemente aus dem Christentum, aber auch dem Okkultismus und dem Satanismus auf. Mit ihrem Bandnamen nahmen sie Bezug auf den Sabbat, den höchsten Feiertag des Judentums: Er steht für den siebten Tag der biblischen Schöpfungswoche, an dem Gott ruhte. „Wir wollten eine Stimmung wie in Horrorfilmen erzeugen und eine Spannung in der Musik schaffen“, sagte Gitarrist Iommi einmal in einem Interview.

Auf das Spiel der Düsterrocker mit dem gesellschaftlich Verbotenen und Anstößigen, aber auch dem, was religiösen Menschen heilig ist, reagierten besonders konservative Christen mit Empörung. „Black Sabbath“ – deren größter Hit „Paranoid“ (1970) bis heute als Blaupause des Metal-Genres gilt – seien Rattenfänger und führten junge Menschen ins Verderben, führten Kritiker an. Radiosender und Schallplattenläden boykottierten die „satanistische Musik“.

Kulturkämpfe dieser Art sind heute vielen Freunden der musikalisch härteren Gangart wie Sebastian Freidel unbegreiflich: „’Black Sabbath’ haben es damals darauf angelegt, zu provozieren. Heavy Metal ist heute Mainstream“, sagt er. Der 30-jährige Mannheimer ist einer von rund 42.000 Fans aus aller Welt, die beim Konzert in Birmingham dabei sind. Am Computer klickte er im richtigen Moment – umrechnet mehr als 290 Euro blätterte der Doktorand für ein Ticket hin. Hinzu kommen Kosten für den Flug, Bustransfer und Hotelübernachtungen.

„Das Konzert ist einmalig, so etwas wird man nicht mehr bekommen“, ist Freidel überzeugt. Denn vor allem aus gesundheitlichen Gründen wollen „Black Sabbath“ aufhören: Sänger Ozzy Osbourne, der 1979 wegen seiner Drogenexzesse für lange Zeit aus der Band flog und als Solist weitermachte, hat Parkinson und kann kaum mehr gehen. „Man wird jeweils nur ein paar Lieder von Ozzy und Sabbath kriegen“, kündigte der selbsternannte „Fürst der Finsternis“ an. Einst biss der heute 76-Jährige einer Fledermaus den Kopf ab, die ein Fan auf die Bühne warf. Er habe gedacht, es sei ein Gummi-Tier, verteidigte er sich später.

Mit ihren ersten vier Alben „Black Sabbath“, „Paranoid“, „Master of Reality“ und „Vol.4“ definierten „Black Sabbath“ zwischen 1970 und 1972 den Sound der Metal-Musik, den zahlreiche Nachfolger verfeinerten. Mit ihren Texten über eine Menschheit, die in den selbstverschuldeten Untergang steuert, trafen die Musiker einen Nerv des Publikums: „War Pigs“ klagt unter Sirenengeheul kriegslüsterne Politiker und Militärs an. Ein Mann warnt im Song „Iron Man“ nach einer Reise in die Zukunft vor der Apokalypse. Niemand glaubt ihm, enttäuscht verwandelt er sich in einen eisernen Mann und nimmt gewaltsam Rache.

Die große Zeit der Band, die immer zwischen Gut und Böse schwankte, war schon Mitte der 1970er Jahre vorüber. Auch „Heaven and Hell“ (1980) mit dem US-amerikanischen Sänger Ronnie James Dio lotete graue Zwischenwelten aus. Der „Blödsinn mit schwarzer Magie“ sei nicht ernst gemeint, bekräftigte Ozzy Osbourne immer wieder. Anfang des neuen Jahrtausends wurde er mit der Familien-Doku-Soap „The Osbournes“ zu einem Kultstar des Reality-Fernsehens.

Eigentlich hatten sich „Black Sabbath“ bereits 2017 in Birmingham mit der „The End“-Tour von ihren Fans verabschiedet. Irgendwo zwischen Himmel und Hölle dürften die Alt-Metaller nun wohl endgültig im Rock-Ruhestand ihren Platz finden.