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Da geht noch was …

Nichts ist schlechter geworden in unserem Land, seitdem die Flüchtlinge in großer Zahl gekommen sind. Warum fühlen sich trotzdem so viele verunsichert? Ein Aufruf zum Zupacken

Langsam wächst uns die Sache über den Kopf. Das ist jedenfalls das Gefühl, das sich zurzeit breitmacht, wenn es um Flüchtlinge geht: Medien und Politiker klingen alarmiert, und im Gespräch mit Nachbarn oder Freunden heißt es immer wieder: So kann es nicht weitergehen.
Fragt man allerdings nach, so stellt sich heraus: Was genau so nicht weitergehen kann, ist unklar. Denn bisher hat unsere Gesellschaft die Belastungen, die durch die hohe Zahl der Flüchtlinge entstanden sind, relativ mühelos verkraftet: In den Läden gibt es so viel zu kaufen wie zuvor. Löhne und Renten steigen, Autos und Bahnen fahren, die Kinder gehen zur Schule, die Menschen können sich frei bewegen. Die allermeisten Deutschen sind von der beschworenen Krise überhaupt nicht betroffen – ganz anders als die Menschen aus den Fluchtländern, die Krieg und Terror erlebt und häufig alles verloren haben. Woher stammt also die diffuse Bedrohung, die die Deutschen empfinden?
Vermutlich hängt sie damit zusammen, dass der Einzelne sich Entwicklungen ausgeliefert fühlt, die er nicht kontrollieren kann. Die große Politik ist so verworren, dass es hoffnungslos scheint, den Überblick zu behalten – geschweige denn, irgendwo einzugreifen und etwas zu verändern. Also schwanken die Reaktionen zwischen Resignation und Wut – beides Haltungen, die die Lage eher verschlimmern als verbessern.
Aber, Gott sei Dank: Mit dieser Art der Tatenlosigkeit wollen sich ganz viele Menschen nicht zufriedengeben. Man findet sie überall in der Gesellschaft, besonders auch in Kirchengemeinden (siehe Seite 12-13). Es sind die, die wissen: Veränderung beginnt im Kleinen, in meiner direkten Umgebung. Und zwar auf zweierlei Weise:
Zum einen bewege ich etwas, wenn ich mich engagiere, und sei dieses Etwas noch so klein. Ich verbessere zum Beispiel für ein Flüchtlingskind die Chancen in der Schule, wenn ich mit ihm Deutsch übe. Oder ich verschaffe den monatelang zur Untätigkeit gezwungenen Asylbewerbern ein paar entspannte Stunden in einem Begegnungscafé oder einem Chor. Das verändert etwas für die, für die ich mich einsetze. Es macht ihnen ihre Situation wenigstens etwas erträglicher.
Zum anderen verändert es aber auch etwas für mich selbst: Ich bin nicht mehr hilflos einer unnennbaren Bedrohung ausgesetzt, sondern gestalte die Wirklichkeit mit. Ich kann etwas dafür tun, dass sich die Dinge verbessern und dass nicht Gleichgültigkeit oder Hass, sondern Menschlichkeit regieren.
Ganz nebenher entsteht so die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben: Der Kontakt mit den Menschen aus anderen Kulturen, Religionen, Lebenszusammenhängen, lässt Vorurteile schrumpfen und Verständnis wachsen. Der andere ist nicht der Fremde, sondern der Nächste. Und den, so trägt Jesus es uns auf, sollen wir lieben wie uns selbst.