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Chile stimmt über neue Verfassung ab

Die Menschen in Chile haben am Sonntag über eine neue Verfassung abgestimmt. Damit soll die noch aus der Pinochet-Diktatur (1973-1990) stammende Verfassung ersetzt werden. Linke Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen werben für eine Ablehnung des Verfassungstextes, der nach ihrer Überzeugung einen Rückschritt darstellt. Konservative Parteien setzen sich für den Text ein. Er wurde in einem eigens gewählten Verfassungsrat erarbeitet, in dem konservative Vertreter die Mehrheit hatten. Für die rund 15,4 Millionen wahlberechtigten Chilelinnen und Chilenen ist die Abstimmung obligatorisch.

Präsident Gabriel Boric sowie Mitglieder seiner Regierung, Ex-Präsidentin Michelle Bachelet und weitere politische Persönlichkeiten kündigten an, gegen den Entwurf zu stimmen. Sie kritisieren, dass der Sozialstaat nicht geschützt werde. Das private Bildung-, Gesundheits- und Rentensystem werde mit der Verfassung weiter zementiert. Ebenfalls von ihnen abgelehnt wird ein Passus über die Umwandlung von Haftstrafen in Hausarrest. Sie befürchten, dass so Militärs freikommen können, die wegen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur-Zeit inhaftiert sind.

Auch eine Liberalisierung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch wird in dem Entwurf abgelehnt. Chile gehört zu den Ländern Südamerikas mit einem strikten Abtreibungsverbot. Der vorliegende Entwurf sieht auch Einschränkungen des Streikrechts und der Rechte der Gewerkschaften vor.

Es ist bereits der zweite Anlauf des südamerikanischen Landes, sich eine neue Verfassung zu geben. Im vergangenen Jahr hatte eine Mehrheit der Chilenen in einem Referendum überraschend deutlich einen vorgelegten Verfassungsentwurf abgelehnt, weil sie viele Änderungen für zu weitgehend hielten. In dem Verfassungskonvent hatten damals noch linke Parteien eine Mehrheit.