Sein Vater war engagiertes CDU-Mitglied. Musiker Campino selbst sympathisiert kaum mit der Union – und macht den Parteien nun deutliche Vorwürfe. Zugleich zeigt er sich selbstkritisch.
“Tote Hosen”-Frontmann Campino wirft der CDU vor, ihre Ideale zu verraten. “Wenn ich heute die CDU sehe, oder wie die CSU in Bayern agiert, wenn da die Grünen zum Gegner erklärt werde, weil es nichts kostet, dann ist das Verrat an den Gründungsvätern der CDU”, sagte Campino am Freitag bei einer Diskussion mit Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf der Dokumentarfilm-Konferenz Dokville 2025 in Stuttgart.
Campino, mit bürgerlichem Namen Andreas Frege, verwies auf seine eigene Sozialisation in einer CDU-nahen Familie in der Nachkriegszeit: “Mein Vater war vom ersten bis zum letzten Tag im Zweiten Weltkrieg und kam wieder mit der Einstellung, so etwas darf nie wieder stattfinden.” Sein Vater habe sich dann stark in der neu gegründeten CDU engagiert und unter anderem das Flüchtlingslager Friedland mitgegründet. Die Ideale dieser Zeit spielten heute bei den Unionsparteien aber kaum noch eine Rolle, sagte Campino, der selbst kein CDU-Sympathisant ist: “Mein Vater hat mich mit sechs, sieben Jahren genötigt, Wahlwerbung für die CDU in die Briefkästen zu stecken, darüber bin ich noch heute sauer.”
Strobl wies Campinos Kritik an der Partei zurück. Politiker wie der Sozialdemokrat Herbert Wehner oder CSU-Chef Franz-Josef Straus hätten früher auch “Bierzeltreden gehalten, ohne dass das der Demokratie geschadet hätte”. Die CDU habe heute mit Blick auf Ostdeutschland eine “historische Aufgabe als Bollwerk” gegen die AfD und dürfe “niemals gemeinsame Sache” mit Rechtsextremen machen: “Wir müssen alles dafür tun, dass sie wieder verschwinden.”
Den “Toten Hosen” waren Rechtsextremismus und Gewalt von Beginn an begegnet, erinnerte sich Campino an seine Anfänge als Musiker: “Mit dem Punkrock erlebte Anfang der 1980er Jahre auch die Skinhead-Bewegung einen neuen Aufschwung.”
Zur “unglaublichen Renaissance” des Rechtsextremismus sei es dann nach dem Fall der Mauer gekommen, wo viele Demagogen aus dem Westen in Leipzig, Rostock und Dresden auf fruchtbaren Boden trafen. “Wir haben in den 90er-Jahren dort viele Konzerte gespielt, da sind wir mit der dreifachen Menge an Security hingefahren.” Dabei sei es nicht darum gegangen, die “Rechten zu überzeugen”, sondern “die zu unterstützen, die das tagtäglich aushalten müssen”.
Allerdings seien damals viele Fehler gemacht worden, räumte der 63-Jährige ein: “Wir hätten viel mehr in die Schulen gehen müssen. Oder klarmachen, was für eine Erfolgsgeschichte Zuwanderung ist und dass die Gesellschaft zusammenklappen würde, wenn diese Menschen nicht da wären und mit uns leben und arbeiten würden.” Campino verwies darauf, dass in Regionen wie NRW, Hamburg oder Berlin, wo viele Menschen mit ausländischen Wurzeln lebten, die AfD ihre schlechtesten Ergebnisse erziele.
Er kritisierte in diesem Zusammenhang die Migrationspolitik der Unionsparteien. Das “Dichtmachen der Grenzen” sei lediglich “Symbolpolitik, die enorm viel kostet und gar nichts bringt”. Strobl verwies dagegen darauf, dass “kein einziger Grenzpunkt dicht gemacht worden” sei. “Die Bundespolizei schaut nur ein bisschen genauer hin, wer da zu uns kommt. Grenzkontrollen sind kein Allheilmittel beim Thema Migration, aber ein wichtiger Mosaikstein”, so der Innenminister. So sei es bereits gelungen, vielen Schleusern das Handwerk zu legen.
Strobl wie Campino zeigten sich besorgt angesichts der AfD-Erfolge gerade bei jungen Menschen. “Was macht die AfD so sexy, wieso kann sie sich als Kraft gegen das Establishment gerieren?”, fragte Campino. Die Partei sei in seinen Augen kleingeistig, zutiefst asozial und angstgetrieben: “Die AfD ist das Angsthasenlager. Wir müssen da rauskommen, dass Demokratie etwas Langweiliges ist.”
Strobl erklärte, Rechtsextremismus komme heute “auf Turnschuhen daher und wird auf Tiktok gestreamt”. Bei der Rekrutierung junger Anhänger spiele auch Musik eine besondere Rolle. Zudem würden Täter nach Anschlägen in Chatgruppen und auf Social Media “verklärt und geradezu als Heilige verehrt”. Dies sei kein Randphänomen mehr, sondern Zeichen einer täglicher Radikalisierung, so Strobl.