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Bund will Kassen mit Milliarden-Darlehn stützen

Kranken- und Pflegeversicherungen verzeichnen Milliarden-Defizite. Jetzt will der Bund sie durch Darlehen stützen. Ein gutes Signal – aber keine nachhaltige Lösung, meint der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse.

Die Bundesregierung will Kranken- und Pflegeversicherungen offenbar mit Milliarden-Darlehen stabilisieren. Außerdem werden die Kosten für die notwendige Umstrukturierung der Krankenhausversorgung aus dem geplanten Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität bezahlt. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium am Dienstag in Berlin mit. Ziel der Bundesregierung sei es, die Beitragssätze in den beiden Sozialversicherungen stabil zu halten und weder die Wirtschaft noch die Verbraucher zusätzlich zu belasten.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) räumte ein, dass die Probleme der Kassen mit den Darlehen nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben seien. “Deshalb begleiten wir die aktuellen Nothilfen mit Strukturreformen. Zwei Kommissionen werden schnell Ergebnisse vorlegen müssen, um mittel- und langfristige Lösungen zu finden.” Die Techniker Krankenkasse (TK) sprach von einem wichtigen Zeichen, das allerdings keine nachhaltige Lösung bedeute.

Das Bundeskabinett hatte sich am Dienstag auf den Haushaltsentwurf für 2025 geeinigt. Für 2026 legte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) Eckwerte vor. Außerdem brachte er das Gesetz für den mit 500 Milliarden Euro schuldenfinanzierten Sondertopf für Infrastruktur und Klimaschutz ein.

Konkret sieht der Entwurf laut Bundesgesundheitsministerium vor, dass die Gesetzliche Krankenversicherung durch zwei neue Darlehen und die spätere Rückzahlung eines alten Darlehens übergangsweise um 5,6 Milliarden Euro entlastet wird. Die Darlehen sind ab 2029 schrittweise zurückzuzahlen. Außerdem soll der Anteil des Bundes am Krankenhaustransformationsfonds nicht von den Kassen, sondern aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert werden. Damit werde die Krankenversicherung über 10 Jahre von jährlich 2,5 Milliarden Euro entlastet, die ihr aufgebürdet werden sollten.

“Durch die Darlehen kann die Finanzierungslücke in der GKV in 2026 erheblich reduziert, aber nicht geschlossen werden”, teilte das Ministerium mit. “Die zugesagten Darlehen werden somit nicht ausreichen, um im kommenden Jahr Beitragssatzsteigerungen zu verhindern.” Nach derzeitiger Einschätzung dürfte die verbleibende Finanzierungslücke bei etwa vier Milliarden Euro liegen.

Um die Finanzsituation der Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren, will der Bund 2025 und 2026 zwei nicht zu verzinsende Darlehen gewähren. 2025 werden 500 Millionen Euro an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung und 2026 weitere 1,5 Milliarden Euro überwiesen. Beide Darlehen sind ab 2029 über einen Zeitraum von fünf Jahren zurückzuzahlen.

Der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas erklärte dazu, es sei ein wichtiges Signal, dass die Regierung die schwierige finanzielle Lage der Kranken- und Pflegeversicherung zum Thema mache und nun handele. Angesichts der Ausgabendynamik seien die Darlehen allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagte Baas. In der Krankenversicherung müsse es darum gehen, die explodierenden Ausgaben zu dämpfen. Kurzfristig sei das durch Maßnahmen wie einen höheren Herstellerabschlag für neue Arzneimittel möglich. “Außerdem muss der Staat bei Aufgaben, für die er zuständig ist, finanzielle Verantwortung übernehmen. Er schuldet der gesetzlichen Krankenversicherung allein für die Versorgung von Bürgergeldempfängern jährlich rund zehn Milliarden Euro.”

Für eine echte Entlastung der Pflegeversicherung müsste aus Sicht des Kassenchefs der Bund zunächst seine Schulden begleichen. Die Pflegeversicherung habe Coronahilfen in Höhe von rund sechs Milliarden Euro ausgelegt. “Gleichzeitig brauchen wir echte strukturelle Reformen.”