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Buddeln und Werkeln im Gemeinschaftsgarten

Fine schiebt mit ihrer Schubkarre einen Wasserkanister zum Beet und lädt ihn mühsam ab. Zwei andere Mädchen haben dort schon ein Schlammparadies angelegt und rennen mit bloßen Füßen durch den Matsch. Die Kindergruppe trifft sich regelmäßig im Gemeinschaftsgarten der Evangelischen Kirchengemeinde Lauterbach. Gemeinsam legen sie Beete an, säen und jäten, bewässern und ernten.

Sophie Schramm geht durch die Beete. „Der Mais ist gewachsen. Und hier sind offensichtlich Sonnenblumen aufgegangen“, sagt die Gemeindepädagogin vom Evangelischen Dekanat Vogelsberg. „Die Wassermelone ist wieder weg“, ruft Kristina Eifert dazwischen, die das Programm „Demokratie leben!“ koordiniert. Schramm und Eifert betreuen den Gemeinschaftsgarten. Familien oder Einzelpersonen bewirtschaften Solobeete, ein Stück gehört dem Kindergarten. Über ein Beet ist schon wieder Rasen gewachsen.

Gemeinschaftsgärten boomen im Vogelsberg. In den vergangenen Jahren seien zwanzig Gärten und etliche Projekte entstanden, erzählt Sophie Schramm. Die evangelische Kirche betreibt drei Gärten in Lauterbach, Angersbach und in Grebenhain. Außerdem entstanden Initiativen an Kindergärten, Schulen und in Vereinen, Bürger- sowie Permakultur-Gärten, Projekte zur Solidarischen Landwirtschaft oder zur Lieferung von Gemüsekisten.

Um all die Ideen und Projekte zu bündeln, gründeten dreißig Initiativen und Privatleute im April ein Garten-Netzwerk, darunter Hobby- und Berufsgärtner, Bio-Landwirte, Selbstversorger, Erzieher, Grundschullehrer, Agrar- und Ernährungswissenschaftler. Künftig wollen sie sich zweimal im Jahr treffen.

Im Vogelsberg lebten viele „Andersmacher“, sagt Schramm, aber auch alteingesessene Bauern, die schon immer nachhaltig, an Boden und Klima angepasst, wirtschafteten. Der Vogelsberg ist kein traditionelles Gemüseanbaugebiet. Ein Landwirt habe ihr erzählt, dass früher Leinen und Linsen verbreitet waren. Familien teilten sich einen Kartoffelacker. Wer von seiner Ernte etwas übrig hatte, gab den Nachbarn etwas ab.

Das gemeinsame Gärtnern scheinen viele Menschen zu vermissen. Beim Netzwerktreffen habe eine Frau, über 80 Jahre alt, nach einer Erntetauschbörse gefragt, weil sie immer so viel übrighabe, erzählen die beiden Frauen. Viele Ältere besitzen einen Garten, der ihnen über den Kopf wächst – zugleich leben Flüchtlinge im Vogelsberg, die ein Stück suchen.

Das Werkeln im Gemeinschaftsgarten diene als Ausgleich zu immer mehr Hektik und Anspruch im Job. Die Leute wollten nach der Arbeit und am Wochenende, „die Finger in den Boden stecken, sich wieder erden und rückbesinnen“, beobachtet Schramm. „Für die Kids versuchen wir, nicht zu viel vorzugeben. Sie sollen sich ausprobieren, ohne Stoppuhr und Bewertung“, betont Eifert.

Nach und nach trudeln die Kinder im Gemeinschaftsgarten in Lauterbach ein. Alle bekommen erst einmal ein Eis. Zum Glück hat jemand noch mehr Wasser in Kanistern mitgebracht. Wasser ist hier ein großes Thema – wie überall in der Welt. Einige Gärtner setzen Tontöpfe in die Erde, einer hat eine Konstruktion aus Wassertonne und umgedrehtem Regenschirm gebaut. Einer der Flüchtlinge probiert den Anbau auf Terrassen. „Wir experimentieren, und die Kinder sind mittendrin“, sagt Kristina Eifert fröhlich.