Foto: flickr/Thomas Hawk
Von Veit Hoffmann
Das menschliche Alter lässt sich grob in drei Phasen unterteilen. Jugend, mittleres Alter und „Du hast dich aber gut gehalten“. Ich gehöre zur dritten Phase. Wir wurden mit Bonanza, Flipper, Lassy und Nutella groß. Unsere Welt war übersichtlich und im Vergleich zu heute gefühlt harmlos. Der Kabarettist Wolfgang Neuss konnte noch einen deutschlandweiten Skandal auslösen, als er am Vortag der Ausstrahlung den Mörder im Durbridge-Krimi „Das Halstuch“ verriet. „Bild“ nannte ihn tags darauf einen Vaterlandsverräter. Lou van Burg war mit seiner Sendung „Der goldene Schuss“ ein großer Star. Dazu aßen wir Toast Hawaii.
Meine Frau mag es nicht, wenn ich verklärt über die Vergangenheit rede. Sie sagt dann, ich könne ja zu den Amish-People gehen. Die fahren noch in Pferdekutschen durch die Gegend und lehnen technischen Fortschritt ab. Ob ich das etwa wolle?
Natürlich nicht! Ich schätze den Fortschritt. Das Internet hilft mir bei der schnellen Suche. Mail, Facebook und SMS erleichtern den Arbeitsalltag und die Kommunikation. Auch unsere Tageszeitungen kommen digital. Dem letzten Lagerfeuer der Familien, der „Wetten dass …?“-Sendung, trauere ich auch nicht nach. Mich interessierte nie, ob es gelingt mit einem Bagger fünf Gurkengläser zu öffnen und dabei Alphorn zu blasen.
Nein, ich vermisse die Vergangenheit nicht. Ich vermisse vielmehr die Ruhe. Das Land jenseits der Streaming-Dienste. Es existiert nicht mehr! Ein Hotelzimmer ohne W-Lan? Unmöglich! Urlaub ohne I-Pad? Geht nicht! Auto fahren ohne google maps? Nur in vertrauten Gegenden.
Das ganze Jahr über spüre ich meine Abhängigkeit vom Internet. Deshalb habe ich beschlossen: Stecker raus, Internet aus – besonders in der adventlichen Fastenzeit um Ruhe für Besinnung zu finden. Weihnachtsgrüße werden dieses Jahr per Hand geschrieben. Mit Tinte auf Papier und in einen Umschlag gesteckt und zum Briefkasten gebracht. Wie früher, als wir noch Bonanza schauten und Toast Hawaii aßen.
Veit Hoffmann