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Bolsonaro fordert Amnestie für mutmaßliche Putschisten

Brasiliens Justiz hat Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro wegen angeblicher Putschabsichten im Fokus. Dass er nun Zehntausende Anhänger mobilisieren konnte, zeigt seinen weiter großen politischen Einfluss.

Es war ein politisches Ausrufezeichen: Mit einer Großdemo in der Metropole Sao Paulo hat Brasiliens Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro am Sonntag (Ortszeit) seine politischen Muskeln spielen lassen. Mehrere zehntausend seiner Anhänger waren seinem Ruf gefolgt, gegen die Ermittlungen der Justiz wegen eines mutmaßlichen Putschversuchs zu protestieren. Bolsonaro steht im Mittelpunkt der Ermittlungen, die er für politisch motiviert hält.

So hatte der Rechtspopulist vor den Wahlen im Oktober 2022 von Wahlmanipulationen zugunsten seines Widersachers Luiz Inacio Lula da Silva gesprochen, ohne dafür Belege vorzulegen. Bolsonaro behauptete unter anderem, das Wahlgericht manipuliere die Urnen angeblich derart, dass Lula gewinnt. Er lud sogar ausländische Botschafter ein, um seine Verschwörungstheorien zu präsentieren. Seine Partei PL (Partido Liberal) musste dafür bereits ein Bußgeld in Millionenhöhe zahlen.

Bolsonaro selbst wurde wegen falscher Behauptungen vom Obersten Wahlgericht das passive Wahlrecht bis 2030 entzogen. Er darf damit vorerst für kein Amt kandidieren. Demnächst dürfte es noch brenzliger für den Ex-Militär werden. Ermittler haben Dokumente und Videos sichergestellt, aus denen ein Plan für einen von Bolsonaro angeführten Putsch mit Hilfe des Militärs hervorgeht. Vor einigen Wochen wurden bereits Personen aus Bolsonaros Umfeld festgenommen. Der Ex-Präsident musste seinen Reisepass abgeben.

Am Sonntag nun forderte Bolsonaro auf der Avenida Paulista im Herzen Sao Paulos eine Amnestie für seine Anhänger, die wegen des Angriffs auf das Regierungsviertel in Brasilia Anfang Januar 2023 zu teils langen Haftstrafen verurteilt wurden. Er sprach von Machtmissbrauch der Ermittler und bezichtigte Präsident Lula, ihn persönlich zu verfolgen. Auch kritisierte er die Medien und versicherte, niemals an einem Putschkomplott beteiligt gewesen zu sein.

Dabei sind die Beweise eindeutig. So zeigt ein Videomitschnitt von Mitte 2022, wie Bolsonaro seine Minister sowie hochrangige Militärs zu überreden versucht, rasch zu handeln. Geplant war, Unruhen anzustiften, die ein Eingreifen des Militärs nötig machen sollten. Dieses würde dann den Wahlsieg Lulas annullieren und Bolsonaro an der Macht halten. Auch der Sturm des Regierungsviertels durch Bolsonaro-Anhänger scheint dieses Ziel gehabt zu haben. Allerdings roch Lula den Braten und beließ das Militär in den Kasernen.

In Ermangelung triftiger Argumente für die eigene Unschuld bemühten sich Bolsonaro und sein Umfeld am Sonntag offenbar um göttlichen Beistand. Über weite Strecken ähnelte die Demo eher einem evangelikalen Kult. Pastoren evangelikaler Großkirchen traten an Bolsonaros Seite auf. Seine Frau Michelle eröffnete die Kundgebung mit einem Gebet. “Gott möge diese Nation retten”, rief sie der Menge zu. Auch andere Redner baten um Gottes Beistand im Kampf gegen eine angebliche kommunistische Verschwörung von Justiz und Politik gegen Bolsonaro.

Auffallend auch die große Zahl israelischer Fahnen in der Menge. Nachdem Präsident Lula vor einigen Tagen Israels Aktionen gegen die Hamas-Miliz im Gazastreifen mit Hitlers Holocaust verglichen hatte, war Bolsonaro auf den Zug aufgesprungen. Er präsentiert sich nun als Verteidiger Israels. Besonders bei Brasiliens Evangelikalen kommt das gut an. Sie sind Bolsonaros treueste Unterstützer, hatten bei den Wahlen zu zwei Dritteln für ihn gestimmt. Lula dagegen hat mit dem Gaza-Holocaust-Vergleich seine eigenen Bemühungen torpediert, sich den Evangelikalen anzunähern.

Offizielle Daten über die Teilnehmerzahl der Demo wurden nicht veröffentlicht. Allerdings gibt der große Zulauf dem politisch und vor allem juristisch angeschlagenen Bolsonaro Auftrieb. Mehrere Gouverneure zeigten sich an seiner Seite, darunter die der gewichtigen Teilstaaten Sao Paulo und Minas Gerais. Im Bolsonaro-Lager glaubt man, dass Bolsonaros weiter hohe Beliebtheit die Justiz abschrecken dürfte, ihn verhaften zu lassen.

Dabei wird gegen Bolsonaro nicht nur wegen der Putschpläne ermittelt. Auch soll er Schmuck von Millionenwert, den er und seine Frau von der Regierung Saudi-Arabiens als Geschenk erhielten, außer Landes geschmuggelt haben, um ihn in den USA zu verkaufen. Zudem arbeitet die Justiz mutmaßliche Vergehen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie auf. Auch gibt es Ermittlungen wegen der Verbreitung von “Fake News” und der Fälschung von Bolsonaros Impfausweis.