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Bistum Essen soll für Missbrauchstaten eines Priesters haften

Alkohol, Gewalt, Jobverlust: Für Wilfried Fesselmann wirken die Folgen von Missbrauch durch einen früheren Geistlichen bis heute nach. Nun hat er das katholische Bistum auf Schmerzensgeld verklagt – wohl mit Erfolg.

Eine Schmerzensgeldklage des Missbrauchsbetroffenen Wilfried Fesselmann gegen das katholische Bistum Essen hat Aussicht auf Erfolg. In einer Verhandlung am Freitag vor dem Landgericht Essen erklärte der Vorsitzende Richter, das Bistum müsse für die Taten eines ehemaligen Priesters haften, der Fesselmann in den 70er Jahren missbrauchte. Bereits geleistete freiwillige Zahlungen von 45.000 Euro seien nicht ausreichend.

Fesselmann fordert mindestens 300.000 Euro vom Bistum. Das Gericht will nun laut dem Richter ein angemessenes Schmerzensgeld festlegen. Am 25. April will es entweder ein Urteil sprechen oder die weitere Verfahrensweise erläutern.

Fesselmann wurde von dem ehemaligen Pfarrer H. missbraucht, dessen Fall bundesweit für Aufsehen sorgte und der bereits strafrechtlich verurteilt ist. Laut Fesselmann hat der frühere Geistliche ihn im Alter von elf Jahren zu einer Übernachtung in seine Wohnung eingeladen und ihn dort mit Alkohol gefügig gemacht. Später sei es zum Oralverkehr gekommen.

Der Täter, der in Essen als Zeuge vorgeladen war, gab zu, sich und den Jungen entkleidet und ihn im Schritt berührt zu haben. An weitere Handlungen könne er sich nicht erinnern. Er räumte allerdings weitere ähnliche Taten ein; allein im Raum Essen fünf bis sieben. Bei keiner sei es hingegen zu einer Penetration oder dem vorgeworfenen Oralverkehr gekommen. H. entschuldigte sich im Gerichtssaal bei Fesselmann für sein Verhalten und die psychischen Spätfolgen bei seinem Opfer.

Fesselmann benannte als Folgen der Tat unter anderem eine posttraumatische Belastungsstörung, Alkoholprobleme, Sexualstörungen und Panikattacken. Bereits als Kind habe er angefangen, Alkohol zu konsumieren, und sei wegen Konzentrationsschwächen vom Gymnasium abgegangen. Auch sei er in seiner Gemeinde von anderen Jugendlichen angefeindet und geschlagen worden, weil man ihn für den Weggang des beliebten Geistlichen verantwortlich gemacht habe. Später habe er seinen Job verloren, habe stark an Gewicht zugenommen und sei wegen gesundheitlicher und psychischer Probleme etwa 24 Jahre arbeitslos gewesen.

Insgesamt verging sich der frühere Geistliche an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern an Minderjährigen. Nach mehrfachen Vorwürfen war er 1980 aus dem Bistum Essen ins Erzbistum München und Freising versetzt worden – nach seiner eigenen Aussage mit der Maßgabe, sich einer Therapie zu unterziehen.

Damals war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Erzbischof in München. Trotz gerichtlicher Verurteilung und eines Gutachtens, das vor der Arbeit mit Kindern warnte, wurde er erneut mit Gemeindeseelsorge beauftragt. Erst 2010 wurde H. von dieser Tätigkeit abberufen. Er darf seinem Beruf nicht mehr nachgehen und sich nicht mehr Pfarrer nennen.

Seit 2020 lebt H. wieder im Bistum Essen. In dem Fall ist eine weitere Schmerzensgeldklage vor dem Landgericht Traunstein gegen das Erzbistum München und Freising anhängig.