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Beten tut gut

Über den Predigttext am Sonntag Rogate: Johannes 16, 23b-28(29-32)33

Durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit – und die Orgel erklingt und die Gemeinde singt: Amen. So endet in der Regel das Tagesgebet im Sonntagsgottesdienst. Wir loben Gott und das hat Tradition. Solche Lobgesänge sind schon biblisch belegt. Und: Das hat Vorteile. Alle Beteiligten wissen, wann ihr Einsatz kommt. Ich persönlich mag diese geprägten Formen. Aber das geht nicht allen so:

„Wissen Sie, Herr Pfarrer, mit diesen ganzen Formeln und der Liturgie im Gottesdienst habe ich es ja nicht so“, vertraute mir eine Frau im Gespräch an. „Die kommen ja nicht von mir. Die sprechen mir nicht aus dem Herzen. Weil mir die ganze Liturgie so fremd ist, komme ich auch so selten zu Ihnen.“

Die ganze Liturgie – so fremd

Lange hatte sie Schwierigkeiten mit dem Beten. Bis zu dem Unfall damals im Urlaub.
„Als mein Mann im Krankenhaus lag“, erzählte sie mir weiter, „habe ich ihn jeden Tag besucht. Auf dem Weg lag diese Kirche. Sie ist mir aufgefallen. Zwei, drei Mal bin ich dran vorbeigefahren, bis ich doch einmal reingegangen bin. Und dann stand ich da, vor dem Kreuz in der großen Kirche. Und da habe ich angefangen zu reden. Ich habe mich richtig in Rage reden können, habe dem da oben alles gesagt, was mir auf dem Herzen lag; dass er das doch jetzt nicht zulassen kann und was aus mir werden soll, wenn mein Mann es nicht schafft. Ich bin immer lauter geworden – habe mir alles von der Seele weg erzählt. Als ich fertig war, merkte ich, dass doch noch andere Menschen da waren. Das war gut. Nein, mit der Liturgie habe ich es nicht so – die sage ich auf  wie ein Gedicht. Aber seit dem Urlaub gehe ich ab und zu mal in eine Kirche, aber nur  dann wenn wenige da sind und dann rede ich mit dem am Kreuz ganz persönlich. Das tut gut!“ Ja, beten, mit Gott reden, das tut gut.
„In der Welt habt ihr Angst“ – spricht Jesus zu seinen Jüngernan ihrem letzten gemeinsamen Abend. Er verabschiedet sich von ihnen mit einer bildreichen Sprache über die kommenden Ereignisse. Er kündigt seine Gefangennahme und seinen Tod an. Die nächsten Stunden werden voll Schmerzen sein, wie sie eine Schwangere empfindet, wenn die Stunde der Geburt kommt, sagt er einige Verse vor dem Predigttext des Sonntags Rogate. Wer wollte da keine Angst haben? Die Jünger haben sogar so viel Angst, dass sie Jesus in diesen schweren Stunden allein lassen. Sie verleugnen ihn; sie fliehen. „Aber ich bin nicht allein“, sagt Jesus, „der Vater ist bei mir“.
„Seid getrost“, spricht er weiter, „ich habe die Welt überwunden“. Denn alles ist vergänglich. Aber wenn die unter Schmerzen Gebärende ihr Kind im Arm hält, ist alle Pein vergessen und sie ist glücklich über das neu geborene Leben. Auch der Tod und die Trauer sind vergänglich. Jesus hat diese Welt überwunden, nicht kraftvoll, sondern unter Schmerzen – zum Frieden für uns alle.

Beten – mit ganz eigenen Worten und Gedanken

Die Frau hat ganz recht: Formeln braucht es nicht im Gespräch mit Gott. Wir müssen nichts betonen oder hervorheben, wenn wir mit Gott reden. Wir können uns direkt und mit unseren ganz eigenen Worten und Gedanken an ihn wenden – er ist da und bleibt da, auch wenn wir ihn mal verlassen haben.
Durch Jesus Christus, der die Welt überwunden hat, wissen wir aber, dass Leid sich umkehrt, dass (Für)Bitten zu Freude wird und Beten zu innerem Frieden führt. Deshalb beten wir – egal ob wir es sagen oder nicht – immer im Namen Jesu Christi, unserem Herrn, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit.

Predigttext am Sonntag Rogate: Johannes 16, 23b-28(29-32)33 in Auswahl

23 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er‘s euch geben. 24 Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei. 25 (…) Es kommt die Zeit, dass ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündige von meinem Vater. 26 An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; 27denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. 28 Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. (…) 33 Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.