Predigttext am Sonntag Rogate: Kolosser 4, 2–4(5–6)2 Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! 3 Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir vom Geheimnis Christi reden können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, 4 auf dass ich es so offenbar mache, wie ich es soll.
VonFriedhelm Wizisla
Als ich ein Schulkind war, gehörte das Gebet am Morgen vor der Wohnungstür zum Alltag. Der Schulranzen war bereits geschultert und ich betete: „… sei und bleibe du auch heute mein Beschützer und mein Hort. Nirgends als von dir allein, kann ich recht bewahret sein“ (Heinrich Albert, EG 445). In der Jungen Gemeinde waren Gottesdienst und Gebet der Jugendsonntage ein Geschenk für diejenigen, die zu Hause eher allein waren mit ihrem Glauben. Betend denke ich an Patenkinder, wenn sie Geburtstag oder Tauftag feiern. Mit einem Gebet nahmen wir Abschied von einem Freund, dessen vier Brüder den Sarg trugen. Mein erstes Gebet in Taizé war eine Erfahrung von Ökumene, die mich nachhaltig prägte: Stille und Geborgenheit in der Weltchristenheit. Bei einer Versöhnungsreise mit „Aktion Sühnezeichen“ nach Polen, wo wir an Orten deutscher Barbarei mit katholischen Geschwistern gebetet haben, bekam ich eine Ahnung von dem Band, das eint und zusammenhält. Die Kirche der Zukunft muss ökumenisch werden, damit die Christen sichtbar in der Welt sind, damit ihre Verbundenheit glaubhaft wird und sie das Geheimnis Christi offenbaren. Das habe ich an diesen Orten erfahren.
Beten ist ein sehr inniger und persönlicher Ausdruck des Glaubens. Die Seele öffnet sich hin zu Gott. Wer betet, kommt aber auch zu sich selbst, hält sich aus und findet eine Zuflucht – bei Fragen, im Zweifel, in Wut und in Trauer. Auf diese Weise reinigt das Gebet die Seele. Beten – das ist für mich eine Lebensäußerung, da bin ich ganz bei mir, mit der Erde verbunden, mein Glaube strebt nicht nur himmelwärts.
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