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Beten mit den Füßen

Immer mehr Menschen begeistern sich fürs Pilgern: Wandern, sich ausklinken, zur Ruhe kommen, neue Erfahrungen sammeln. Zwiesprache mit Gott. Ein neuer Weg im Nordosten des Landes lädt dazu ein: der Nikolausweg am Wiehengebirge

Es liegt eine Faszination darin, sich selbst zu entdecken im Gehen. Vielleicht erinnern sich Menschen beim Pilgern daran, dass es neben Selbst­optimierung, Bedeutung, Familie und Karriere auch noch anderes gibt: das Bewusstwerden des eigenen Körpers, ein Gespür zu bekommen, wie man gemeint ist und welcher Augenblick jetzt gelebt werden will. Oder ganz leise: ein Zwiegespräch mit Gott. Nicht von ungefähr spricht man beim Pilgern auch vom „Beten mit den Füßen“.
Wer erste Erfahrungen mit dem Pilgern machen möchte, der hat jetzt die Möglichkeit, den Nikolausweg zu gehen. 30 Kilometer ist der lang. Er erstreckt sich  zwischen Moor und Wiehengebirge. Man geht ihn in zwei Etappen, entweder  südlich über Schnathost oder nördlich über Nettelstedt von Gehlenbeck nach Bergkirchen.
Im April wurde der Weg eröffnet. Die erste Etappe ging von Gehlenbeck nach Bergkirchen. Fast 60 Frauen und Männer nahmen daran teil.
Nach der Eröffnung des Weges in der Gehlenbecker Kirche durch den Superintendent des Kirchenkreises Lübbecke, Uwe Gryczan, ging es los. Neben der Nahrung für den Körper, die vom Bäcker gespendet wurde, gab es Nahrung für die Seele: Es wurden Karten mit Worten wie Frieden, Gerechtigkeit und Gemeinschaft verteilt. Jeweils zwei Teilnehmende bekamen dasselbe Wort und konnten sich dann darüber austauschen.
Eine große Bedeutung hatte die Konzentration auf den Körper. „Für einige war es eine neue Erfahrung, sich nur auf das Gehen zu konzentrieren“, sagte Ute Kämper. Sie ist Herz und Motor des Weges. Es sei wichtig, sich selbst zu spüren. Wie fühlt sich dieser Schritt an, der Fuß, die Wade, der Atem?  „Das Schweigen ist eine große Herausforderung“, so Ute Kämper. Pilgerinnen und Pilger gingen von Kirchturm zu Kirchturm oder zum Gemeindehaus und wurden dort herzlich empfangen. Für manch einen war es neu, sich auf seine Füße zu konzentrieren. Andere empfanden „Sinnsprüche“ als anregend.
Die Resonanz war so groß, dass im Juli die zweite Etappe angeboten wurde. Auch hier pilgerten 60 Menschen, diesmal die südliche Route über Schnathorst.
Man kann den Weg unterschiedlich gehen. Entweder in zwei Etappen mit einer Übernachtung, oder man geht eine Strecke. Man kann den Weg als Gruppe gehen. Angesprochen werden hier Kreise in Kirchengemeinden, die das Pilgern entdecken möchten.
Barbara Fischer, Pfarrerin in der Kirchengemeinde Gehlenbeck, freut sich über den Zuspruch. Wenn Menschen für etwas brennen und das in die Tat umsetzen, wie es Ute Kämper getan hat, dann zieht das Kreise, es machen immer mehr Menschen mit, und so werden solche Projekte möglich. Es gab Anfragen aus dem Ruhrgebiet. Dort überlegt man, ob man einen „Schnupperkurs Pilgern“ anbieten möchte.
Einige gehen diesen Weg alleine oder zu zweit. An den Kirchen gibt es die Möglichkeit, sich einen Stempel für das Pilgerbuch zu holen. Dort liegen auch Bücher aus, in denen man Erfahrungen eintragen kann. Eine Pilgerin war dankbar für eine Flasche Wasser; ihres war ihr ausgegangen. Sehr beeindruckend war der Wunsch eines Ehepaares: „Wir feiern silberne Hochzeit“, sagten sie. „Und in Erinnerung an den gemeinsamen Weg gehen wir den Nikolausweg.“
Der Weg ist gut ausgeschildert:  Eine gelbe Bischofsmütze ­ auf rotem Grund – denn der Weg ist benannt nach Nikolaus von Myra, aus dem dann der „Heilige Nikolaus“ wurde  – weist den Weg durchs Lübbecker  und Mindener Land.
Was macht diesen Weg so interessant? Zum einen geht man durch eine wunderschöne Landschaft, vorbei an Feldern, Weiden, an Moor und Wäldern, kann ganz unterschiedliche Kirchen und Gemeindehäuser sehen, die zum Teil geöffnet sind. Ob gemeinsam mit andern oder für sich, Pilgern auf ostwestfälisch gibt einen kleinen Eindruck von dem, was in einem steckt und ermöglicht Erfahrungen mit sich selbst, ohne Fittnesstracker oder Laufband, ohne Sportabzeichen oder Leistungsnachweis. Wer wissen will, wer er ist und wer Gott ist, sollte ins Gehen kommen.

Informationen geben die Kirchengemeinde Gehlenbeck(gehlenbeck@kirchenkreis-luebbecke.de) oder Ute Kämper(info@nikolausweg.de)