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Beauftragte für interreligiösen Dialog: Kein “Wir” gegen “Die”

Zerrissenheit, Verletzungen, ein Denken in Feindbildern – und wie damit umzugehen ist: Darüber hat die Beauftragte für interreligiösen Dialog der evangelischen Landeskirche in Bayern, Mirjam Elsel, am Freitag in St. Michael in Fürth gesprochen. Ihre Festrede zum Reformationstag eröffnete sie laut Manuskript mit einem Blick nach Israel und Gaza. Es sei unmöglich, über dieses Thema zu reden, ohne dass Emotionen den Raum fluteten. „Zu tief sind die Verletzungen“, sagte Elsel. „Wir haben mittlerweile eine solche Polarisierung in dieser Frage, dass eine Verständigung darüber, was wirklich gesagt und wie gemeint wurde, manchmal kaum möglich ist.“

Am schwierigsten sei es für Juden und Muslime selbst, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, ohne diffamiert zu werden. Sie bewundere daher Menschen, die trotzdem Diskursräume offenhalten, „weil sie an dem Glauben an eine plurale Gesellschaft, die friedlich miteinander lebt, an eine Demokratie, die Freiheit und Teilhabe auch von Minderheiten fördert, festhalten“, so Elsel.

In Krisenzeiten etabliere sich ein Denken in „Wir“ und „Die“ und ein „Gut“ gegen „Böse“, die Gesellschaft werde polarisiert und radikalisiert. Dies steigere sowohl Antisemitismus als auch antimuslimischen Rassismus. Diese sind laut der Beauftragten nicht das Gleiche und die aktuellen Auslöser für die Zunahme unterschiedlich: „Sie treffen sich jedoch darin, dass Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Religionszugehörigkeit abgewertet, diskriminiert und angegriffen werden.“

Diesem stellte Elsel das Grundgesetz gegenüber, in dem die unantastbare Würde des Menschen festgehalten ist. Die Werte des Grundgesetzes seien dabei nicht ursprünglich christlich-jüdisch. Auch der Islam betone die Würde jedes Einzelnen. Alle drei Religionen seien in einem Kulturkreis entstanden und liegen laut Elsel in ethischen Fragen nah beieinander: „Ich finde es wichtig, sich gerade in der aktuellen Polarisierung dieser gemeinsamen Ressourcen zu vergewissern.“

Grundlage für ein besseres Miteinander seien Solidarität und Empathie. „Manchmal reicht die einfache, ehrliche Frage aus: Wie geht es dir?“, sagte Elsel. Diese Frage hätten Jüdinnen und Juden nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 zu selten gehört. Zum Zuhören und Wahrnehmen, ohne sofort zu bewerten, brauche es geschützte Räume frei von lautstarker Polarisierung. Zugleich brauche man positive Geschichten, „die mit Leidenschaft und Begeisterung von den friedensstiftenden Ressourcen aus Judentum, Christentum und Islam erzählen“. (3432/31.10.2025)