UK 34/2016, Kirchbau (Leitartikel Seite 1: „Die Nützlichkeit der Steine“; Seite 9: „Baumeister mit Visionen“; Seite 13: „Ikonen aus Beton“)
Jesus kannte keine Kirchen. Paulus auch noch nicht, obwohl schon in den Anfängen der Kirchengeschichte besondere Zimmer und Hauskirchen für die Urgemeinde bereitgestellt wurden. Darum geht es doch von damals bis heute: Man brauchte Räume, in denen Menschen zusammenkommen können, um gemeinsam (!) Gottes Wort zu hören und zu bedenken, antwortend zu beten und zu singen. Solche Räume wurden dankbar und froh geschmückt, gerade auch in Zeiten der Not. Der Ort für die stetige Erinnerung an Gottes Dienst an den Menschen und den Dienst der Gemeinde für Gott sollte überall der schönste, wichtigste Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens sein. Unter welch ungeheuren Anstrengungen und Opfern sind im Mittelalter in jedem armen, kleinen Dorf Kirchen und Kapellen errichtet und ausgeschmückt, in reicheren Städten Kathedralen und Dome erbaut worden! Nicht aus Nützlichkeitserwägungen heraus, nicht um den Glauben „bemerkbar“ zu machen, nicht zur Mission und nicht zur Privatandacht, sondern zum gemeinsamen Bekenntnis, zu gemeinsamem Lob und Dank wie zu gemeinsamem Bitten und Flehen.
Wo das nicht mehr so ist, wo Kirchen nur noch museale Macht- und Prachtbauten vergangener Zeiten, heute lustlos erhaltene Baudenkmale oder staatlich beschützte Schätze eines Weltkulturerbes sind, wo der Heilige Geist die so genannten Gläubigen, die nicht mehr glauben können, verlässt, da werden die Steine zerfallen und die Kirchtürme im Schatten der Bürohochhäuser verschwinden.
Theatersäle, Turnhallen und Stadien tun es eben nicht auf die Dauer, auch wenn sie als Notbehelf – mit geisterfülltem Leben beschenkt – vorübergehend zur echten Kirche werden können. Eine Kirche ist das bauliche Herz einer christlichen Gemeinde oder es ist keine Kirche.
Wolfgang Kopplin, Plettenberg