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Aus dem Schatten ins Licht

Der Praxistag „Bibel ins Spiel bringen“ am 25. November in Dortmund im Haus der Landeskirchlichen Dienste will das „Buch der Bücher“ ins Gespräch bringen und zeigen, wie Menschen einen neuen Zugang zu ihren Geschichten und Erzählungen erhalten

Sie kommt gerne hierher. Manchmal in der Mittagspause, hin und wieder auch am Wochenende, nach dem Einkauf auf dem Markt. Sie genießt die Stille und das Alleinsein in der Offenen Kirche. Meist setzt sie sich nur in eine Kirchenbank. Mehr braucht sie nicht. Kein Telefon, keine Gespräche, keine SMS. Nur die Stille. Gerne zündet sie auch eine Kerze an, bevor sie wieder geht. Oder schreibt etwas in das Buch auf dem Stehpult, gleich neben der Kerzenecke.
So wie sie, nutzen es viele. Schreiben etwas von ihren kleinen oder großen Sorgen auf. Bitten Gott um Hilfe oder danken ihm für das Gute, das sie erlebt haben.
Kurz blättert sie noch in dem Buch, liest den einen oder anderen Eintrag, dann geht sie hinaus. Die aufgeschlagene Bibel auf dem Tisch nimmt sie nicht wahr, geht schnell daran vorbei. So wie viele andere auch…
In vielen Offenen Kirchen fristet die Bibel ein Schattendasein. In der „Kirche des Wortes“ scheint das (Bibel-)Wort bei den Besucherinnen und Besuchern nicht mehr hoch im Kurs zu stehen. Im Unterschied zur Kerzenecke oder dem sogenannten Fürbittenbuch wird die Einladung, in der Bibel zu lesen, nur selten wahrgenommen.
Vielleicht weil sie die Bibel einfach übersehen? Oder aus Scheu, sie nach langer Zeit wieder oder gar zum ersten Mal in die Hand zu nehmen und darin zu lesen? Vielleicht aber auch, weil sie mit diesem „Buch der Bücher“ einfach gar nichts mehr anzufangen wissen; es für sie eher ein „Buch mit sieben Siegeln“ ist, das sich ihnen nicht mehr erschließt.
Die aufgeschlagene Bibel gehört zum Grundangebot jeder offenen Kirche. Unaufdringlich lädt sie dazu ein, die kleinen und großen Geschichten Gottes mit den Menschen wieder oder ganz neu kennenzulernen. Sie will den Leser mitnehmen auf eine Entdeckungsreise, bei der er selbst herausfinden und erfahren kann, wie Gott seine Geschichte mit ihm schreibt. Sie vermittelt Trost und Hoffnung und lädt ein zum Dank und zum Lob Gottes. Sofern man sich für sie Zeit nimmt…
So gut und richtig es ist, die Bibel in der Offenen Kirche auszulegen, so gibt es doch noch viele andere Möglichkeiten und Wege, um die „Bibel neu ins Spiel zu bringen“ und Menschen neugierig zu machen auf die Worte und auf die Geschichten, von denen sie erzählt. Das fängt bei einer Auswahl verschiedener Übersetzungen an, die auf die unterschiedlichen Sprach- und Hörgewohnheiten Rücksicht nimmt.
Ansprechend präsentiert in sogenannten Bibel-Leseecken bekommen Besucherinnen und Besucher dann die Gelegenheit, einfach einmal ungestört in klassischen wie modernen Übersetzungen oder auch in Kinderbibeln zu blättern. Vielleicht – wie in der Predigerkirche in Zürich – sogar in einem bequemen Ledersessel?
Ein anderer Weg sind ausgewählte Bibelworte, meist auf kleinen Karten aufgedruckt, die jede und jeder mitnehmen und im Alltag immer wieder lesen kann. Aber auch interaktive Ausstellungen zur Bibel, die Besucher mit einem Bibeltext in ein stilles Gespräch bringen, sind in der Offenen Kirche durchaus möglich.
Der Praxistag Offene Kirche am 25. November in Dortmund im Haus der Landeskirchlichen Dienste stellt diese und andere erprobte Projekte wie spirituelle Kurzimpulse oder die Umsetzung eines Gebets- oder Bibelgartens in beziehungsweise an der Offenen Kirche vor und zeigt auf, wie Menschen einen neuen Zugang zur Bibel, ihren Geschichten und Erfahrungen bekommen können.
Darüber hinaus lädt er die Teilnehmenden ein zu einem Rundgang durch die Ausstellung der „Werkstatt Bibel“. Eine Einführung in die revidierte Lutherbibel 2017 rundet den Tag ab. Eingeladen zum Praxistag sind haupt- wie ehrenamtlich Mitarbeitende aus Offenen Kirchen wie aus Gemeinden, die Interesse an einer Offenen Kirche haben.