Am 8. Mai sorgte der erste Teil der Speyerer Missbrauchsstudie für Aufsehen. Im zweiten Teil, der bis 2027 erwartet wird, sollen einige brisante, exemplarische Missbrauchsfälle analysiert werden.
Nach den Worten der Leiterin der Missbrauchsstudie für das Bistum Speyer werden in dem bis 2027 erscheinenden zweiten Teil der Untersuchung einige brisante, “typische Fälle” näher analysiert. Als Beispiel nannte die Historikerin Sylvia Schraut im Südwestrundfunk (SWR) “Missbrauchsvorwürfe gegen Nonnen und Mitarbeiter des Kinderheims in der Engelsgasse” in Speyer. Das Kinderheim wird in dem am 8. Mai vorgestellten ersten Teil der Studie als einer der “Missbrauchshotspots” der 1950er und 1960er Jahre bezeichnet.
Schraut verwies auch auf Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Generalvikar Rudolf Motzenbäcker, “der ja schon vor Jahren geoutet” worden sei. Im Dezember 2020 hatte der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann Missbrauchsvorwürfe gegen Motzenbäcker öffentlich gemacht und betont, dass er sie für glaubwürdig hält. Drei Betroffene hätten unabhängig voneinander berichtet, zwischen 1963 und 1975 von Motzenbäcker über längere Zeit missbraucht worden zu sein. Der 1998 verstorbene Priester war von 1959 bis 1968 Generalvikar und von 1969 bis 1995 Offizial, also oberster Jurist im Bistum.
Schraut sagte weiter, es werde auch um “typische Konstellationen” von Missbrauch in den Gemeinden gehen. Ein Begriff aus der Nationalsozialismus-Forschung sei “Bystander” (deutsch: Zuschauer). Damit seien die gemeint, die wegschauen, aber etwas wissen. “Davon erzählen viele Betroffene. Das kann man sehr gut zeigen”, sagte Schraut. Sie fügte hinzu: “Wir hinterfragen auch die Rolle der Jugendämter. Und wir werden einen Heimleiter nehmen und zeigen, wie – wenn von oben der Kopf stinkt – eine Einrichtung verkommt, im Kontext des Themas sexuelle Gewalt.” Das könne man nicht “flächendeckend machen, man kann das nur an Einzelbeispielen vertieft zeigen”.
Heute sei im Bistum Speyer der Wille da, sicherzustellen, “dass Vorwürfe nicht versickern”, sagte Schraut. Es gebe entsprechende Wege. “Wenn etwa eine Missbrauchsmeldung bei der Interventionsbeauftragten im Bistum einläuft, wird automatisch die Staatsanwaltschaft informiert.” Doch Schraut fragte: “Aber was ist beispielsweise, wenn ein Pfarrer, der beschuldigt war, in Rente geht und sich in einer ganz anderen Gemeinde niederlässt und dort ein bisschen aushilft? Kann da die Gemeinde informiert werden, dass da ein Verdacht vorliegt?” Da komme der Datenschutz ins Spiel und “da wird noch darum gerungen, Lösungen zu finden”.