Ich habe ein ungebremstes Weihnachtsverlangen. Immer schon. Das hat sich auch in Haft nicht geändert. Nur: Versuchen Sie mal hier, einen Weihnachtsbaum zu bekommen. Einen eigenen. Für die eigenen vier Wände. Da braucht man Zeit – und Nerven. In der Hausordnung steht zwar „Dem Gefangenen ist es gestattet, einen künstlichen Weihnachtsbaum zu besitzen“, die Realität aber gestaltet sich deutlich komplizierter. 40 Zentimeter darf so ein Baum groß sein, der erste aber, den ich bestellt hatte (selbstverständlich musste ich dafür vorher einen Antrag stellen), maß 42 Zentimeter, also zwei Zentimeter zu viel. Kürzen ging nicht – weil das eine „unzulässige Manipulation“ darstellte. Der zweite Versuch ging aus anderen Gründen schief. Bezahlen per Paypal oder Kreditkarte – das funktioniert nicht, wenn man einsitzt. Also gab es ellenlangen Schriftverkehr und am Ende die Lösung: Rechnung mit Vorkasse. Der Baum kam dann tatsächlich irgendwann an, aber leider: Es war fast Ostern. Das nächste Problem folgte auf dem Fuße. Die Kugeln an dem Baum (sie hatten einen Durchmesser von drei Zentimetern!) verhinderten die Zulassung. Darin könne man ja was verstecken, hieß es. Also: Kugeln runter! Aber ein künstlicher Weihnachtsbaum ohne Kugeln ist kein Weihnachtsbaum, sondern lediglich eine künstliche Pflanze, und die wiederum ist laut Hausordnung verboten…
Nach vielen Versuchen kam ich schließlich doch noch zu meinem Baum: Ein älterer Mitgefangener schenkte mir seinen. Er war nicht hübsch, aber mit viel Einfallsreichtum schaffte ich es, ihn zum Glänzen zu bringen. Andreas S., Justizvollzugsanstalt Werl
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