Was für eine Vision! Vor gut zehn Jahren hatte der damalige westfälische Präses Alfred Buß vorgeschlagen, dass Kirchen auf dem Land doch auch Postdienstleistungen, Brötchen und Zeitungen anbieten könnten. Die Idee schreckte damals viele auf. Und verschwand irgendwann – quasi unbemerkt – aus der innerkirchlichen Diskussion.
Warum eigentlich, fragt man sich heute. Gab es noch keinen Handlungsbedarf? War die dörfliche Kirchenwelt noch „zu“ heil? Mag sein. Aber schon damals gab es Anzeichen für Veränderungen.
Wenn die Sparkasse dichtmacht, der Lebensmittelladen und/oder die Post – dann betrifft das das gesamte Gemeinwesen. Also auch die Kirche. Und mittlerweile ist klar, dass auch sie selbst sich verändert.
Rein optisch ist zwar noch alles beim Alten: Die Kirchen stehen zumeist noch mitten im Dorf und sie locken vor allem zu Feiertagen weiterhin vergleichsweise viele Menschen in die Gottesdienste. Aber die große Selbstverständlichkeit, mit der sich ihr die Menschen – sei es aus Tradition, sei es aus Überzeugung – früher verbunden fühlten, lässt nach. Und der demographische Wandel tut sein Übriges, dass die Zahl der leeren Kirchenbänke am Sonntag zunimmt.
Nein, die Kirchenwelt ist auch außerhalb der Städte nicht mehr so heil wie ehedem. Zu Recht ist deshalb jetzt, nachdem man sich intensiv und vielerorts sehr erfolgreich um eine neue Rolle der Kirchen in der City bemüht hat, wieder Bewegung in die Diskussion um die Zukunft der Kirchen auf dem Land gekommen (siehe Seite 7).
Dabei wird schnell der Vorteil des Dorfes deutlich: Hier kennt fast jeder jeden. Es ist überschaubarer als die Stadt. Zudem gibt es hier jede Menge Akteure, die sich als potenzielle Partner für Kirchengemeinden anbieten, damit Leben in den Kirchen und Gemeindehäusern bleibt: Musikvereine etwa, Chöre oder Sportclubs. Warum nicht ein Café gemeinsam mit den Landfrauen einrichten? Oder tatsächlich eine Verkaufsstelle, wo die Menschen nicht nur Brötchen, Zeitungen und Briefmarken bekommen, sondern auch die Gelegenheit, ein Pläuschchen zu halten. Und sicher kann auch die Zusammenarbeit mit der katholischen Gemeinde mancherorts zu guten Ergebnissen und neuer Gemeinschaft führen.
Kooperation heißt das Stichwort für die Zukunft der Kirchen auf dem Lande. Das ist weder anrüchig noch ehrenrührig, sondern in jedem Fall die bessere Alternative als irgendwann mal komplett dichtmachen zu müssen. Inzwischen dürfte ja hinlänglich bekannt sein, mit wieviel Trauer und Schmerz ein solcher Schritt verbunden ist…
Darum ist es nur gut, dass jetzt neue Ideen zu sprießen beginnen. Gut für die Menschen, die auf dem Lande leben. Gut für die Kirchen. Dabei wird sich vermutlich zeigen, dass gar nicht in erster Linie Geld nötig ist, sondern Offenheit, Kreativität und den Mut, auch mal über den eigenen Schatten zu springen.
Vieles ist möglich. Die Kirche auf dem Land hat Zukunft. Ob nun mit Postservice oder ohne.