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Auf der Suche nach dem Schatz

Bunte Weste und Rüschenhemd – Piraten gehören im Soltauer Freizeitpark Heide Park Resort zum Programm. Doch „Anker-Anke“ ist anders: Anke Westphal arbeitet für die evangelische Kirche

Karen Miether

Mit einem breiten „Moooin“ begrüßt die Piratin zwei Mädchen und hebt die Hand zum Einschlagen. „Anker-Anke“ sucht eine Crew, die mit auf Schatzsuche geht. Auf dem Gelände des „Holiday Camps“ im Freizeitpark Heide Park Resort im niedersächsischen Soltau heuert sie Kinder an. Diakonin Anke Westphal ist beim evangelischen Kirchenkreis Soltau als Seelsorgerin angestellt. Seit 2008 kooperiert die Kirche mit dem Heidepark und macht dort Angebote für Tagesgäste und Touristen.

Niemandem etwas aufdrängen

„Echte Piraten sagen Joh“, brüllt die Seeräuberin mit der bunten Weste, dem Tuch im langen Haar und dem rußgeschwärzten Gesicht. Bald schart sich eine gut 20-köpfige Mannschaft um sie. Ob sie in Stiefeln als „Anker-Anke“ durch den Park stapft oder in „zivil“ unterwegs ist, Anke Westphal gibt sich als Christin zu erkennen, nicht nur durch den Kreuzanhänger am Hals. „Aber ich dränge niemandem etwas auf“, sagt die 25-jährige Mindenerin.

Selbst bei der Piraten-Schatzsuche gibt es eine ruhige Minute. „Anker-Anke“ spricht von Fischern, die trotz zwei Versuchen mit leeren Netzen noch einmal rausfahren. „Weil ich an Gott glaube, vertraue ich darauf, dass er mich jeden Tag versorgt“, sagt Westphal: „Ich bin nicht mehr so ängstlich.“

Um in einem großen Freizeitpark mit Glaubensthemen bestehen zu können, brauche die Seelsorge ein besonderes Profil, sagt Pastorin Marion Römer von der Urlauberseelsorge „Kirche im Tourismus“ der hannoverschen Landeskirche. „Wir erleben dort eine neue Form von Kirche, die auf geänderte Verhältnisse reagiert.“
„Anker-Anke“ steigt zwischen Restaurant, Sport- und Spielplatz auf einen der Holztische. Die Gäste, die Pommes, Maiskolben oder Salat verspeisen, irritiert das nicht. Im Park gehört es zum Alltag, dass Schauspieler und Animateure als Piraten oder Wikinger auftreten.

„Die erkenne ich wieder“, sagt Dennis Wulff, der mit Frau, vier Kindern und Hund beim Abendbrot sitzt. Die Familie aus Bremerhaven hat Anke Westphal schon einmal im „Holiday Camp“ erlebt. „Die Kinderbespaßung wie die Schatzsuche finde ich klasse“, sagt er. Dass diese Piratin von der Kirche kommt, ist ihm nicht aufgefallen. „Aber es ist toll, wenn sich die Kirche mal anders präsentiert.“

Deutschlandweit gibt es ein ähnliches Angebot nur im Europa-Park Rust in Baden-Württemberg. Dort arbeitet seit 2005 der evangelische Diakon Martin Lampeitl gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Andreas Wilhelm. „Die Besucher erwarten nicht, dass sie hier zwischen Achterbahnen und Shows eine Kirche und zwei Diakone vorfinden“, sagt Lampeitl. Doch bei allem Erlebnishunger seien viele auch bereit, sich ansprechen zu lassen. „Die Gäste fangen wieder an, mit der Kirche zu flirten.“

Auf Menschen zuzugehen, die mit dem christlichen Glauben oft nur noch wenig anfangen können, das reizt auch Anke Westphal. Vor knapp zwei Jahren hat die Mindenerin nach ihrer Ausbildung in Wuppertal im Heide Park Resort ihre erste Stelle angetreten. „Inzwischen sind Beziehungen gewachsen.“ So komme es vor, dass Kollegen sie bei Sorgen ins Vertrauen ziehen. „Ich bin ja einem anderen Arbeitgeber verpflichtet.“

Zu den Besonderheiten im Heide Park Resort gehört auch eine kleine Kapelle aus dem 14. Jahrhundert. Nahe dem Eingang bietet sie Ruhe. Anke Westphal lädt Besucher dort dazu ein, Gebete zu formulieren. Sie hat einen „Briefkasten an Gott“ aufgehängt, der regelmäßig prall gefüllt ist.