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Auch mit Schlagseite

Roter Terror, braune Morde: Immer wieder taucht die Frage auf, welcher politische Extremismus böser sei. Dabei gilt: Es gibt grundsätzlich keine gute oder schlechte Gewalt

Manchmal erwische ich mich bei der Frage: Ist Gewalt von links nicht doch etwas weniger zu verachten als Gewalt von rechts? Und ich bin vermutlich nicht der Einzige, der sich bei diesem Thema voreingenommen zeigt. Ob mit Schlagseite nach links oder rechts.

Bei mir resultiert das womöglich aus der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und dessen Grauen. Laut Statistik gehen seit 1990 deutlich mehr Morde auf das Konto von rechten als von linken Extremisten. Aber darf ich deshalb etwa die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) harmloser finden als die Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU)?

Beide haben getötet und Terror ausgeübt. Die RAF war von den 1970er bis 1990er Jahren für 33 Morde verantwortlich. Die Mitglieder der NSU brachten zwischen den Jahren 2000 und 2007 mutmaßlich zehn Menschen um. Neun der Opfer waren Migranten, acht davon türkischer Abstammung. Das zehnte Opfer war eine Polizistin.
Die RAF hatte in den Jahren zuvor ganz andere Menschen im Visier, nämlich Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Zu Tode kamen allerdings auch deren Fahrer sowie Polizisten und Zollbeamte.

Sind die Taten der linken RAF also eher zu rechtfertigen als die der rechten NSU? Weil sie sich gegen mächtige Männer wendeten, die Morde der Neo-Nazis dagegen rassistisch motiviert waren und sich gegen Kleinunternehmer richteten? Hat die Rote-Armee-Fraktion lediglich die Gesellschaftskritik der 68er-Bewegung mit anderen Mitteln fortgeführt (Seite 10)?

Solche Überlegungen werden auch heute noch bei anderer Gelegenheit angestellt. Zuletzt wurde etwa nach dem G20-Gipfel in Hamburg die Bedeutung linksextremer Gewalt diskutiert. Und auch wenn solche Ausschreitungen nicht mit Terror zu vergleichen sind, stellt sich die Frage: Heiligt der Zweck die Mittel? Und da muss ich deutlich Nein sagen.

Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Kein Zweck heiligt jedenfalls Mittel, die Gewalt, Angst, Plünderung, Terror oder Mord bedeuten. Da zieht auch das Grundgesetz eindeutige Grenzen. Und für Christen, die die Botschaft Jesu ernst nehmen, darf Gewalt schon gar nicht zur Lösung von Konflikten angewandt werden. Es mag Ausnahmen geben. Theologen wie Dietrich Bonhoeffer haben in der Zeit des Nationalsozialismus diskutiert, ob ein Tyrannenmord mit dem Glauben zu vereinbaren sei. Aber es war klar: Egal wie man sich entscheidet – ohne Schuld kommt man aus solch einer Situation nicht heraus.

Mord bleibt Mord. Selbst wenn er Menschenleben rettet. Auch in krisenhaften Situationen gilt, was Gott Mose mitgegeben hat: „Du sollst nicht töten.“
Es mag ehrenwerte oder niedere Motive für radikales Handeln geben. Aber es gibt keine gute oder schlechte Gewalt. Das muss ich auch mir immer wieder deutlich machen. Selbst wenn ich als Kind die RAF-Fahndungsplakate eher mit Neugier als mit Angst betrachtet habe. Gewaltlosigkeit hat Priorität. Auch mit Schlagseite.