In Armenien sind die Regierung und die Kirche des Landes tief zerstritten. Ursache ist der jahrzehntelange Konflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan. Die Kirche wirft der armenischen Führung mangelnde Entschlossenheit vor.
Nach der Festnahme des armenisch-apostolischen Erzbischofs Bagrat Galstanyan hat ein Richter in Jerewan am Donnerstag eine zweimonatige Untersuchungshaft verhängt. Der politisch einflussreiche Galstanyan war am Mittwoch zusammen mit 13 weiteren Personen festgenommen und angeklagt worden. Ihm wird die Planung eines Komplotts zum Sturz der armenischen Regierung, die Anstiftung zu Massenunruhen und eine Vorbereitung von Terroranschlägen vorgeworfen. Galstanyan wies die Vorwürfe über seinen Anwalt zurück und kündigte Berufung an.
Der 54-jährige Galstanyan ist der führende Kopf einer Protestbewegung gegen Regierungschef Nikol Paschinjan, die unter dem Namen “Heiliger Kampf” auftritt. Vor einem Jahr ließ er seine Kirchenämter ruhen, um sich in den innenpolitischen Turbulenzen in der Südkaukasus-Republik als Konkurrent von Paschinjan zu positionieren.
2023 hatte Aserbaidschan im Konflikt mit Aserbaidschan die armenische Enklave Bergkarabach (Artsach) überrannt; mehr als 100.000 Armenier mussten ihre Heimat verlassen. 2024 beschloss Paschinjans Regierung, mehrere Dörfer in der Grenzregion Tavush an Aserbaidschan zurückzugeben, um einen Friedensvertrag zu erreichen. Dagegen demonstrierten Zehntausende Armenier; Galstanyan und seine Anhänger forderten in tagelangen Straßenprotesten Paschinjans Absetzung.
Der Synod der Armenischen Apostolischen Kirche unter Vorsitz von Katholikos-Patriarch Karekin II. äußerte in einer Erklärung vom Mittwoch tiefe Sorge über die Maßnahmen gegen Erzbischof Galstanyan und dessen Mitarbeiter. Ministerpräsident Paschinjan und weitere Vertreter der Regierungspartei hätten versucht, den Strafverfolgungsbehörden Anweisungen zu erteilen.
Im Vorfeld der 2026 anstehenden Parlamentswahlen war der Streit zwischen Paschinjan und der Armenisch-Apostolischen Kirche in den vergangenen Wochen erneut eskaliert. Am 9. Juni attackierte der armenische Regierungschef Katholikos Karekin II. und forderte dessen Rücktritt; unter anderem, weil er angeblich den Zölibat gebrochen habe. Paschinjans Kritiker werfen ihm vor, die Kampagne gegen die Kirche auf Wunsch Aserbaidschans gestartet zu haben.
Karekin II. warnt immer wieder vor der Bedrohung Armeniens durch Aserbaidschan. Die Vertreibung der rund 100.000 Karabach-Armenier im Herbst 2023 bezeichnete er als “ethnische Säuberung”.