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Annette Muhr-Nelson

„Gehet hin in alle Welt und ,lehret‘ alle Völker“, wie neuere Übersetzungen sagen, heißt es in Matthäus 28.  Auf diesen Vers beriefen sich die Missionare im 18. und 19. Jahrhundert. Die Aufarbeitung der konfliktbeladenen und belasteten Kolonial- und Missionsgeschichte beschäftigt uns bis heute im Kontakt und Dialog mit unseren Partnerkirchen in aller Welt.  Wir sprechen heute von der „Einheit von Zeugnis und Dienst“, d.h. wir verstehen Mission als glaubwürdiges Handeln in dieser Welt.
Wir sind hineingenommen in Gottes Mission, die sich auf die Erlösung der ganzen Welt richtet, auf die Befreiung der Unterdrückten ebenso wie auf die Errettung der leidenden Schöpfung. Gott wendet sich allen Menschen zu, um ihnen Heil und Heilung zuteil werden zu lassen. Die Erlösung durch Jesus Christus bezeugen wir in Wort und Tat, durch glaubwürdiges Handeln, in Gebet und Gottesdienst, Bildung und Diakonie. Darum tauschen wir uns mit unseren Partnerkirchen sowohl geistlich und theologisch aus, als auch in entwicklungspolitischen, diakonischen und Bildungsfragen.
Auch im interreligiösen Dialog haben wir in den vergangenen Jahrzehnten von Respekt und Vertrauen geprägte Beziehungen aufgebaut, um gegenseitiges Verständnis, Versöhnung und Zusammenarbeit für das Allgemeinwohl zu fördern. Entsprechend der „Einheit von Zeugnis und Dienst“ haben wir nicht nur miteinander geredet, um uns gegenseitig besser kennen und verstehen zu lernen, sondern wir haben auch ganz praktisch Unterstützung zum Beispiel beim Bau von Moscheen gegeben oder uns für Geflüchtete aus aller Welt engagiert.
In der Frage des Taufbegehrens von muslimischen Geflüchteten waren manche Gemeinden zu Recht zurückhaltend, weil sie einerseits den Betroffenen keine unrealistischen Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer Bleiberechtsperspektive machen wollten, andererseits aber auch, weil sie die Errungenschaften des christlich-muslimischen Dialogs nicht gefährden wollten. Es geht darum, sich mit der Religion des anderen auseinanderzusetzen und die Gemeinsamkeiten genauso zu betrachten wie das Trennende. Ein Dialog, der auf die Konversion von Muslimen abzielt, kann daher nicht das Programm einer Kirche sein, die sich friedensstiftend in die Prozesse und Auseinandersetzungen einer pluralen Gesellschaft einbringen will.  Eine Taufe wird allerdings von uns auch nicht verweigert, wenn sich jemand zu Jesus Christus bekehrt. – Dies ist besonders wichtig im Kontakt mit staatlichen Stellen, die die Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens mancher Flüchtlinge in Frage stellen.  
Insgesamt ist zu sagen, dass der interreligiöse Dialog als Teil der Mission zu verstehen ist, wobei Mission aber eben nicht Evangelisation oder Bekehrungsversuch meint, sondern wie oben beschrieben Beteiligung an der Missio Dei, die auf die Befreiung der Unterdrückten, die Erlösung der Schöpfung etc. zielt.
Nicht nur bei uns, sondern auch weltweit gesehen gehört die Frage des interreligiösen Dialogs wohl zu den größten Herausforderungen der Gegenwart, da wir leider viel zu oft erleben, wie religiöse Intoleranz, Missbrauch der Religion und ein falsch verstandenes Sendungsbewusstsein zu Radikalisierung und Gewaltbereitschaft führen. Stattdessen sollten wir die Friedenskräfte der Religionen bündeln und uns als Weggefährten verstehen, die nur gemeinsam dieser Welt ein Beispiel für Frieden und Gerechtigkeit geben können.

Annette Muhr-Nelson ist Leiterin des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe).