Ex-Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat den Umgang des früheren Bundeskanzlers Konrad Adenauer (1949-1963) mit der NS-Vergangenheit kritisiert. „Adenauer hat sich als Kanzler so gut wie nie zu den dunklen Seiten der deutschen Geschichte geäußert. Er wusste um den Wunsch der großen Mehrheit nach einem ‘Schlussstrich’ und dem Ende von Entnazifizierung und Aufarbeitung“, schreibt Altmaier in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Seit 1951 hätten es frühere NSDAP-Mitglieder in beachtlicher Zahl wieder in Behörden- und Beamtenstuben geschafft. Nazi-Verbrecher hätten unbehelligt von Justiz und Öffentlichkeit ein Leben als anerkannte Mitglieder der Nachkriegsgesellschaft führen können, so Altmaier. „Zu viele sahen weg, alte Kameraden und Komplizen halfen beim Verschleiern und Unterdrücken.“
Erst Mitte der 60er Jahre sei mit den Auschwitz-Prozessen ein „Durchbruch“ gelungen. Altmaier vermutet, Adenauer sei es darum gegangen, „die Zeitspanne, die ihm verbleiben würde, für den Aufbau von Demokratie, Sicherheit und Wohlstand zu nutzen und dafür alles auszublenden, was an persönlicher Verfehlung und Verstrickung aus den Zeiten vor 1945 überkommen war“. Forderungen nach Aufarbeitung hätten lange „als unerhört und geradezu skandalös“ gegolten.
Anlass des Gastbeitrags ist eine neue Studie von Historikern zum Kanzleramt. Unter Adenauer hatten demnach bis zu 38 Prozent der höheren Beamten eine NSDAP-Vergangenheit. Die personellen Kontinuitäten hätten noch bis in die Anfänge der Kanzlerschaft Helmut Kohls (CDU) gereicht, erst dann hätten „alle Beteiligten und Belasteten das Pensionsalter erreicht“, schreibt Altmaier.