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“Altersdiabetes” unter Kindern nimmt zu

Kinder bewegen sich zu wenig und essen zu ungesund. Die Folge: Die aggressive Typ-2-Diabetes breitet sich auch im Jugendalter aus. Fachleute fordern konkrete Gegenmaßnahmen statt Appellen.

Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden an Übergewicht und Adipositas – parallel nimmt das Risiko für Begleiterkrankungen wie Diabetes zu. Dazu gehört inzwischen auch der im Jugendalter früher weniger verbreitete Typ 2. “Wir können deshalb heute nicht mehr von “Altersdiabetes” sprechen”, sagte der Diabetologe Karsten Müssig am Dienstag bei einer Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin. “Wir finden Typ 2 in unterschiedlichen Altersgruppen.”

Laut Robert Koch-Institut haben fast zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren Übergewicht. Sechs Prozent leiden an Adipositas. 2022 waren rund 1.000 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren von Typ-2-Diabetes betroffen. “Typ 2 hat einen sehr viel aggressiveren Verlauf als Typ 1, führt zusätzlich oft zu Komplikationen an Nieren und im Herz-Kreislauf-System”, sagte Müssig. “Mit der Therapie müssen wir früh beginnen.” Zu den Risikofaktoren gehörten fehlende Bewegung, ungesunde Ernährung, “aber auch Stress oder zu wenig Schlaf”.

Aktuell sind zur Behandlung von Kindern nur wenige Wirkstoffe wie Metformin oder Liraglutid zugelassen. Die Fachgesellschaft fordert daher gesetzliche Maßnahmen, um einen gesunden Lebensstandard zu fördern. Dazu gehörten Werbeeinschränkungen für ungesunde Lebensmittel, eine Abgabe auf zuckerhaltige Getränke sowie verbindliche Standards für Schulverpflegung und Schulsport.

Unternehmen können in Deutschland – bislang freiwillig – auf ihren Produkten zur Nährwertkennzeichnung einen sogenannten Nutri-Score anbringen; Verbraucher sollen so die Gesundheit von Produkten einfacher beurteilen können. “Appelle genügen nicht. Die bisherigen Maßnahmen wirken nicht, das sehen wir an den Zahlen”, sagte Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Diabetes Gesellschaft.

Sie warnte außerdem vor steigenden Kosten für das Gesundheitssystem. Das finanzielle Potenzial von vorbeugenden Maßnahmen werde dagegen unterschätzt. Sie forderte deshalb eine “Umgebung, die es einfacher macht, sich gesund zu ernähren, unabhängig von Herkunft, Bildungsgrad oder Einkommen.” Am 7. November beginnt in Mannheim die Diabetes-Herbsttagung.