Predigttext zum 11. Sonntag nach Trinitatis (Erprobung): Lukas 7, 36-50
44 (…) du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. 46 Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.48 Und er sprach zu ihr:
Dir sind deine Sünden vergeben. (…) Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; (in Auswahl)
Spannung, Dramatik, Erotik. Erleben Sie eiskalte Berechnung und Emotionen pur, Nebendarsteller und den bekannten Hauptdarsteller.
Mit Happy End – versprochen! „Allein die Liebe zählt!“
Nein, es geht nicht um eine neue Serie im Vorabendprogramm, sondern um einen Bibeltext, der alles hat, was eine spannende Geschichte braucht, um zu berühren. Aber der Reihe nach.
Jesus folgt einer Einladung zum Essen.
Simon gehört als Pharisäer einer religiös-politischen Gruppierung an, deren Ziel die kompromisslose Umsetzung der jüdischen Reinheitsgebote ist.
Als Gastgeber jedoch macht er einen schlechten Eindruck, weder begrüßt er Jesus richtig, noch bietet er die übliche Fußwaschung an.
Die Argumente werden aufgetischt
Schnell geht es an die Tische, fast spürt man, dass neben dem Essen bereits die Argumente aufgetischt wurden: Konfrontation und Rechthaberei liegen in der Luft.
Jesus bleibt. Obwohl er ahnt, dass er hier vorgeführt wird, dass er erklären muss, warum er z.B. am Sabbat heilt.
Den Raum betritt nun eine Frau, deren moralisch zweifelhafter Ruf allen Gästen bekannt ist. Sie tritt weinend an Jesu Fußende und salbt seine Füße. Dass sie ihre Haare ins Spiel bringt, hat sehr wohl einen erotischen Anklang. Das Kopfkino, das sie bei den Gästen in Gang setzt, ist leicht vorstellbar.
Jesus greift nicht ein, er kommentiert nicht.
Jesus weiß: Hier greift jemand zu den einzigen Mitteln, die er hat, um Liebe und Dankbarkeit zu zeigen. Und Liebe ist spontan, ausufernd, grenzüberschreitend, und fragt nicht: „Wie sieht das aus? Geht das?“
Die Mittel, die Simon vertraut sind, sind intellektueller Art, deshalb konfrontiert Jesus ihn mit einem Gleichnis, das Simon richtig interpretiert.
Zwei Männer schulden einem Geldverleiher jeweils 500 und 50 Denare. Da keiner den Kredit tilgen kann, erlässt der Verleiher beiden die Schuld.
Wer wird am dankbarsten sein? Der, dem die größere Summe erlassen wird. Logisch.
Bei näherer Überlegung wird einem klar, dass diese simple Geschichte eigentlich eine glatte Unterforderung für den intelligenten Simon gewesen sein muss. Die eigentliche Denkaufgabe kommt dann auch später.
Jesus weist ihn erst einmal zurecht. Wie kommt Simon dazu, schlecht über diese Frau zu denken?
Sie hat all das getan, was er versäumt hatte.
Alle Pflichten eines Gastgebers hat sie übernommen, mehr noch, durch ihre liebevolle Art hat sie einen besonderen Moment entstehen lassen. Aus Freundlichkeit, Dankbarkeit heraus, um den Gast zu würdigen.
„Ich kann dir sagen, woher das kommt: Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben worden, darum hat sie mir viel Liebe erwiesen. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig.“ (Vers 47)
Das ist die eigentliche Herausforderung für Simon, die Aufforderung nachzudenken.
Als Pharisäer scheint er moralisch auf der sicheren Seite zu sein. Wie sieht es aus mit seinem Unrechtsempfinden, seiner Liebesfähigkeit?
Leider erfahren wir nichts über Simons Einsicht oder Unverständnis.
Jesu Aufmerksamkeit gilt der Frau – sie erhält die Zusage, dass ihre Schuld vergeben ist, dass ihr Glaube sie gerettet hat.
Jesus der eigentliche Gastgeber
Neben den vielen Möglichkeiten, lehrreiche Schlüsse aus dieser Geschichte zu ziehen, möchte ich das Augenmerk auf die Rolle des Gastgebers lenken.
Im Grunde erweist sich Jesus als der eigentliche Gastgeber: Er ist offen für den Lauf der Dinge und sieht jede Person, wie sie ist. Er verurteilt nicht, sondern begegnet jedem auf der Ebene, die der andere versteht. Niemand wird bloßgestellt und niemand verliert sein Gesicht. Das Gespräch kann jederzeit fortgesetzt werden.
Allein die Liebe zählt!