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Aktionstag will Verbrauchern die Landwirtschaft näherbringen

Traktor fahren, Kühe melken, einen Weidezaun setzen. Ein Lehrer erlebt bei einem Aktionstag, wie schwer körperliche Arbeit in der Landwirtschaft ist. Und dass Kühe streicheln glücklich macht.

“Ich musste richtig arbeiten, das war sehr anstrengend, aber auch sehr toll.” Noch immer gerät Thomas Brinkmann ins Schwärmen, wenn er sich an seinen Schnuppertag in der Landwirtschaft auf einem Milchbauernhof im Odenwald erinnert. Sein Highlight: “Ich durfte mal mit einem Traktor im Kuhstall die Fäkalien wegfahren und Heuballen bewegen, das war cool”. Der 45-jährige Gymnasiallehrer hat am Aktionstag “Landwirt für einen Tag” teilgenommen. Er wird seit 2020 initiiert von dem Forum Moderne Landwirtschaft und findet in diesem Jahr am 24. Mai statt. Verbraucher sollen damit wieder mehr Bezug zu ihren Lebensmitteln bekommen.

Für Brinkmann bedeutete das: morgens um 6 Uhr auf “seinem” Hof im Odenwald anzutreten, um wenigstens noch das Melken der letzten Kühe mitzuerleben. Dabei merkte der zweifache Vater, “wie schwierig es ist, eine Kuh an den Milchroboter anzuschließen – wenn ich mir überlege, dass das früher alles von Hand gemacht wurde….” Danach durfte er viele Stunden mit anpacken und lernte dabei, “wieviel Arbeit in so einem Liter Milch steckt”.

Der Offenbacher Pädagoge fühlt sich seit jeher mit der Natur verbunden. Er ist Nachhaltigkeitsbeauftragter an seiner Schule, hat selbst einen großen Garten mit eigenem Gemüse und eigene Bienen. Damit möchte er seinen kleinen Teil zum Erhalt der Natur und zur nachhaltigen Landwirtschaft leisten. “Ich lungere mit meinen Kindern ständig im Garten rum”, erzählt er und schmunzelt. Er sei neben einem Bauernhof groß geworden, hatte aber nie den Drang, dort mal einen Tag mitzuerleben – bis sich die Möglichkeit bei dem Aktionstag ergab.

Seit 2020 lädt das Forum Moderne Landwirtschaft Verbraucherinnen und Verbraucher ab 16 Jahren ein, bei dem bundesweiten Aktionstag die moderne Landwirtschaft hautnah zu erleben – vom Füttern der Tiere über die Feldarbeit bis hin zum Einsatz modernster Agrartechnik. Viele Menschen hätten heute “kaum noch Berührungspunkte mit der landwirtschaftlichen Praxis”, begründet Geschäftsführerin Lea Fließ den Aktionstag. Damit solle gezeigt werden, “was es bedeutet, Lebensmittel zu produzieren – transparent, greifbar und authentisch”. Die Betriebe nähmen sich den ganzen Tag Zeit für eine Person, das komme einem “Betriebsstillstand” gleich.

Bis zu 150 Menschen pro Jahr haben nach Angaben des Netzwerks bislang diese kostenlose Chance genutzt, bei der über 60 Höfe ihre Hof- und Stalltüren öffnen. Wie vielseitig Landwirtschaft sein kann, das zeigt das Spektrum der teilnehmenden Betriebe: Da ist etwa ein Milchviehbetrieb in Nordrhein-Westfalen mit Robotertechnik und Weidehaltung; ein Bio-Ackerbaubetrieb in Brandenburg legt seinen Fokus auf Bodengesundheit und Zwischenfruchtanbau. Auch ein Schweinebetrieb in Bayern mit moderner Stalltechnik und Tierwohl-Fokus nimmt an dem Aktionstag teil. Und ein sächsischer Agrarbetrieb zeigt wie modern Landwirtschaft sein kann – mit Digitalisierung, dem sogenannten Precision Farming und Drohnentechnik.

Thomas Brinkmann durfte bei Klara Wolf im hessischen Hoechst-Dusenbach/Odenwaldkreis 2021 Stallduft schnuppern. Die 33-Jährige betreibt einen Milchhof mit derzeit 80 Milchkühen und ihren Kälbern; zudem hält sie Hühner und betreibt Acker- und Futterbau. Bei dem Aktionstag hat sie Brinkmann den üblichen Tagesablauf gezeigt, aber er habe auch das körperlich anstrengende Melken kennengelernt, musste beim Weidezaunbau mit anpacken “und mit den Pfosten in der Wiese rumstapfen”.

Auch für die teilnehmenden Landwirtschaftsbetriebe ist laut Wolf solch ein Gastpraktikant eine Chance. Solche Begegnungen mit Verbrauchern helfe, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Und mitunter helfe so ein Blick von außen auch, einmal die eigene Arbeit zu hinterfragen, sagt die Landwirtin.

Immer wieder nutzten die Praktikanten den Tag auch gezielt, “um sich vor einer beruflichen Entscheidung ein Bild von der Branche zu machen” – etwa für einen Quereinstieg, eine Ausbildung oder ein Agrarstudium, erklärt Netzwerksprecherin Irina Oster. Regelmäßig kämen Bewerbungen von Menschen, die mit dem Gedanken spielten, beruflich in die Landwirtschaft zu gehen und das Arbeitsleben dort einen Tag lang erleben wollten.

Für Thomas Brinkmann war sein Hofbesuch eine anstrengende und zugleich wertvolle Erfahrung. Dabei habe der Lehrer gemerkt, “wie viel Arbeit in so einem Liter Milch steckt – nach den neun Stunden war ich für den Tag kaputt.” Er habe schon immer gespürt, dass Milchbauern zu wenig verdienten. Jetzt weiß er: “Unter 30 Cent pro Liter ist das ein Verlustgeschäft. Milch ist ein Naturprodukt, das seinen Preis wert ist”. Dass er auf der Weide auch noch die Kühe streicheln, ein Teil des Hoflebens sein und mit der Familie essen durfte, hat ihn besonders gefreut. “Den Aktionstag kann ich nur jedem empfehlen.”