Für eine Verbesserung der Situation von Landwirten braucht es nach Überzeugung des Agrarwissenschaftlers Markus Ehrmann einen Abbau der Bürokratie. Düngeverordnung, Dokumentationen, Tiermonitoringprogramme, Steuerrecht und Bewirtschaftungsauflagen müssten vereinfacht werden, empfahl Ehrmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Teil der aktuellen Bauernproteste gehe auf die gestiegenen bürokratischen Auflagen für die Höfe zurück.
Der promovierte Landwirt betreibt selbst einen Hof mit Schweinen und der Produktion von Wildpflanzen-Saatgut in Rot am See bei Schwäbisch Hall. Der 41-Jährige sagte, er müsse heute zwei- bis dreimal so viel Bürokratie erledigen wie noch vor 15 Jahren. So müsse er beim Verkauf jedes Schweins den Abgang innerhalb einer Woche auf einer Internetplattform eintragen, innerhalb eines halben Jahres dann aber für das Antibiotika-Monitoring noch ein zweites Mal. Der Sinn der doppelten Datenerfassung erschließe sich nicht einmal einer Mitarbeiterin des Veterinäramts und beruhe auf der Umsetzung von EU-Recht. Das sei nur ein Beispiel von vielen.
Die Kritik, die derzeitigen Bauernproteste seien von Rechtsextremisten unterwandert, weist Ehrmann zurück. Der Bauernverband stehe hinter den Demonstrationen und habe deutlich gemacht, dass demokratiefeindliche Aussagen nicht geduldet würden. Man könne nichts dagegen machen, wenn bei Aktionen einzelne Extremisten mitliefen. „Es ärgert mich aber, wenn dann eine ganze Demo in die rechte Ecke gestellt wird“, sagte der Landwirt. Gleichzeitig besorge es ihn zutiefst, dass offensichtlich mehr Menschen in der Bevölkerung und so auch bei den Landwirten für rechtsextreme Standpunkte empfänglich seien.
Die Kirchen können nach Ansicht des Wissenschaftlers den verschiedenen Positionen in der Agrarpolitik ein Forum bieten, etwa im Bildungszentrum Hohebuch des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg. Ihm sagten allerdings viele konventionell arbeitende Landwirte: „Die Kirche will uns nicht.“ Dort seien nur „öko-faire“ Betriebe angesehen. „Es braucht aber Wertschätzung für alle“, betonte Ehrmann, der auch Mitglied der württembergischen evangelischen Landessynode ist. Denn Versorgungssicherheit müsse wieder an Bedeutung gewinnen.
Ehrmann hatte zusammen mit anderen Landwirten am vergangenen Sonntag vor den Protestaktionen ein Landfriedensgebet in verschiedenen Kirchengemeinden initiiert und gemeinsam mit Bezirksbauernpfarrern durchgeführt. (0073/11.01.2024)